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Mantel des Schweigens

Selbstverständlich hat Schweigen mit Politik zu tun. Was sonst ist zu erwarten, wenn jeder mitbekommt wie der Politiker geschickt die Fragen des Journalisten umgeht und letztlich das Publikum keine klare Antwort bekommt. Später heißt es dann in der Zeitung, dieser gewisse Politiker habe sich 'in Schweigen gehüllt'. 4

                

                 Rodin's sculpture of Balzac

Zu dieser Beschreibung passt auch Rodins Skulptur von Balzac. Allerdings ist damit etwas anderes gemeint wenn mittels Assoziation der Metapher 'Mantel des Schweigens' eine künstlerische Darstellung erfährt. Rodin hat eine lange Zeit gebraucht bis er den letzten Entwurf zu Balzac fand. Folglich bestehen etliche Variationen doch letztlich zeigt er den Schriftsteller von La Comédie Humaine als eine herausragende Figur die von Kopf bis Fuß in einem großen Mantel eingehüllt ist. Es scheint der Bildhauer wolle damit sagen Balzacs Körper findet höchstens im Schweigen eine passende Antwort auf eine kalte Welt. Sie ist so geworden weil allzu viel verschwiegen wird, und das wegen einer Politik die nur gewisse Dinge zur Sprache bringt, den Rest aber dem Schweigen ausliefert. Letztlich kommt das gleich einer Nicht Anerkennung, worunter viele zu leiden haben. Eben weil sie angeblich gewisse Vorlagen nicht erfüllen, werden sie nicht angehört. Folglich gehen viele wichtige Beiträge verloren obwohl die Gesellschaft sie dringend benötige. Oftmals werden künstliche Regeln vorgeschoben um einen Redner, und sei es noch so vernünftig und substanziell was der sagen will, nicht zu Wort kommen zu lassen. Als Vorwand wird angegeben dieser Punkt stünde eben nicht auf der Tagesordnung. Was Balzac betrifft, er durchdrang diese fremde Welt mit seinem scharfen Blick und dachte seinen Teil während er kontemplativ da stand, eingehüllt vom 'Mantel des Schweigens'.

Oftmals werden verdächtige Figuren in Filmen auf eine ähnliche Weise gezeigt, z.B. der Spion der aus der Kälte kam, wandelt durch die Straßen von Berlin eingehüllt in solch einem großen Mantel. Sehr ähnlich gekleidet wird jener gezeigt, wenn es sich um einen Detektiv auf Spurensuche handelt. Letzteres kommt der Phantasie von Ernst Bloch entgegen weil er Philosophie als Detektiv-ähnliches Achten auf Details verstand.

Auf dieses Schweigen ist nun einzugehen, um zu fragen, ob es symbolisch mittels eines Mantels zu fassen ist? Dazu bedarf es weitere Erläuterungen zum Gebrauch von Symbolen. Da sie mit einer besonderen Entwicklung einher gehen, deutet deren Gebrauch auf eine fehlende Selbstbezogenheit. Statt Bedürfnisse zu artikulieren, wird der symbolische Bezug zum Akt einer Verdrängung. So kann Leiden von einer Verkettung mit einem symbolischen Zusammenhang ersetzt werden.

Die Frage lautet aber ob überhaupt mittels von Symbolen argumentiert werden kann? Paul Tillich meint dazu, wenn es darum geht den Blick auf die Gegenwart zu verstellen, dann wird stets Rekurs auf Symbole genommen. Sie werden durch die Tradition vermittelt. Gleichfalls besagt die Psychologie, dass Kinder sich vorerst nur symbolisch äußern. Sie sagen ganz einfach 'Wasser haben!' und geben dadurch zu verstehen sie haben Durst. Ein Symbol steht also vermeintlich für ein Bedürfnis, nur die Artikulation dazu, die fehlt. Um zur Artikulation eines Bedürfnis zu kommen, bedarf es u.a. der Reflexion unter welchen Bedingungen solch ein Bedürfnis nach Wasser erfüllbar ist, z.b. wer in einer Stadt lebt muss zur Erfüllung des Bedürfnis ein kompliziertes Wassermanagement-System einbeziehen. Folglich setzt das Werden eines Menschen ein Verlassen des Symbolhaften voraus. Inhaltlich geht es dabei um eine sprachliche und gedankliche Entwicklung, um Bedürfnisse artikulieren zu können. Das verlangt ein Verlassen solch verdichteter Zusammenhänge die nur auf Symbole ausgerichtet sind weil nur scheinbar objektiv.

Gleichfalls handelt es sich beim Mythos um eine Verklärung von Realität. Die Aufklärung ging davon aus so etwas geschehe bloß aus Angst vor einer Selbstständigkeit der Dinge. Um also mittels des Verstandes etwas zu begreifen, müsse nur die Vernunft hinzu kommen. Doch da stieß sich die Verwunderung übers Scheitern der Aufklärung wund am Stein der Weisheit. Die Folge war ein Schleifen der Kategorien bis sie messerscharf waren. Ein spanischer Philosoph meinte dazu, er ziehe stumpfe zu scharfen Kategorien vor weil ähnlich zu den Plastikmessern die man im Flugzeug bei der Essensausgabe erhält im Vergleich zu solchen Messern die einfach alles glatt durchschneiden, bei den stumpfen man doch etwas mehr Erfahrung der Materie mitbekäme. Ihm achtet also darauf mit dem Widerstand arbeiten zu können. Schließlich umgeht das fließende Wasser den Baum wenn ein Hindernis. Ähnlich wäre es wichtig dass die Menschen es lernen würden mit dem Widerstand zu arbeiten.

Was darunter wiederum zu verstehen sei, macht Peter Weiss in seiner Abhandlung von 'Ästhetik als Widerstand' deutlich. Er meint dem Befehlston dessen Schärfe nur einem Zweck dient, nämlich sämtliche Widersprüche zum Schweigen zu bringen, etwas entgegen setzen zu können. Peter Weiss beobachtete selber das anhand seiner Mutter die immer mehr schwieg als die Befehlssprache der Nationalsozialismus wie ein Ölteppich in der Gesellschaft sich ausbreitete. Solch ein Schweigen beruht auf einem Verschlagen der menschlichen Stimme. Das mag gleichfalls die Entleerung einer erfahrbaren Welt erklären. Somit käme es darauf an erfahrbare Inhalte erneut zur Sprache zu bringen. Das erforderliche Gelingen dazu verlangt aber zugleich eine Deutung von Schweigen als Widerstand.

Argumentativ kann also im Gegensatz zum Schweigen die inhaltliche Bedeutung von Sprache um so deutlicher hervor gehoben werden, wenn es gelingt einen sich selbst klärenden Zusammenhang zum Entfalten zu bringen. Das wäre zuerst die Aussprache, aber was darauf folgt, entscheidet dann um so mehr das Schicksal. Verbleibt der Struktur nach die betroffene Person vom Befehl nur die Wahl des Gehorchens, kann keine Aussprache zustande kommen noch eine Einigung erzielt werden. Dies wäre nur dann möglich, wenn im gegenseitigen Einvernehmen keiner mehr Macht über den anderen ausübt. Die freie Entfaltung liesse außerdem die Suche nach Wahrheit zu. Und wahr wäre was nicht nur negativ den Menschen bestimmen würde. Interessanterweise riet Adorno die einzige Möglichkeit dem Befehl sich zu lieben zu entkommen, sei sich zu lieben. Das wäre seiner Vorstellung nach ein Heraustreten aus dem Zwanghaften bzw. Paradoxen oder Dilemma. Letzteres ist der Fall wenn bei einer gegenseitigen Verstrickung keiner dem anderen zur Freiheit bzw. freien Selbstbestimmung verhelfen kann. Lautet darauf der Spruch, jemand der sich nicht helfen lässt, kann auch nicht geliebt werden. Die Voraussetzung zur Freiheit fehlt schließlich wenn ohne Liebe für den Menschen etwas von ihm oder ihr verlangt wird, und das ohne Widerrede, weil nur noch der Befehl zu gehorchen ist. Letzteres versperrt allerdings den Weg in die Zukunft obwohl jeder in der Gesellschaft der anderen zu existieren hat. So wäre die intersubjektive Wahrheit die Einsicht dass die Freiheit der anderen die Voraussetzung für die eigene ist.

Hegel widmete sich nicht dieser dialektischen Freiheit sondern formulierte den spekulativen Satz. Er wollte über das Ideal der Wahrheit hinaus gehen, indem er Spekulation übers Zukünftige zum Teil des Geschäftes und der Ökonomie machte. Kurzum, es dufte seiner Philosophie nach auf gewisse Dinge spekuliert werden, insofern eine richtige Anlage einen Vorteil der Zukunft über die Gegenwart ergibt, sprich Gewinn erbringt. Damit nahm er im Grunde genommen das Spekulieren an der Börse vorweg. Folglich ist der Spekulative Satz bei Hegel eine Kunst solch einen Satz zu formulieren der imstande ist die Anschauung selber zu bestimmen. Er tritt aus dem Schatten des bloßen Daseins, anders gesagt dem Schweigen, insofern nicht mehr immanent im Gegensatz des Bestimmten zum Unbestimmten verblieben wird.

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