Ποιειν Και Πραττειν - create and do

Inbegriff der Sklavensprache

Einleitung

Von Ernst Bloch stammt dieses Thema: 'Sklavensprache' - „Ihr Wurm krümmt sich, ihr Hund wedelt.“ 1 Damit ist bereits die Artikulationsproblematik 'unfreier' Menschen angeschnitten: der Schwanz wedelt den Hund. Direkter gesagt, es handelt sich hier um einen geistig-moralischen Zustand mit politischer Färbung. Die Unfreiheit entsteht in einer hierarchisch strukturierten Welt. Besondere Abmachungen bzw. Bindungen zwischen Menschen in solch einer hierarchisch geordneten Welt werden verhindert bzw. gelten nicht. Eher wird das gegenseitige Mißtrauen gefördert. 

Stets sind die 'da unten' den Launen derjenigen, die 'oben' sind, ausgeliefert. Im 'Untertan-Dasein' kann der Sklave sich nicht dagegen wehren, eher muss er sich selbst kontrollieren, d.h. sich 'anständig' benehmen, selbst wenn ungerecht behandelt. Er muss ständig beweisen, was er alles tun kann, um dem Herrn zu gefallen. Niemals darf der Sklave selbstständig mit seiner Vorführung beginnen. Er muss aufs Zeichen des Herrn warten. Schließlich ist es ihm untersagt selbstständig Entscheidungen zu treffen doch das reduziert die eigene Verantwortung für die eigene 'Freiheit' aufs Minimum.

In diesem Sklaven-Dasein wird alles sprachlich abgerundet, und bis aufs 'Nichts' reduziert. Dadurch entsteht eine 'totale Abhängigkeit' von einer Welt, die anscheinend unveränderbar ist. Am festgefahrenen Karren im Dreck muss der Sklave letztlich seine Fähigkeiten zeigen, indem er ihn wieder frei bekommt. Erst dann darf er sich eines bescheidenen Glücks sicher sein, und zwar die Gunst des Herrn.

Der Sklave bleibt also am Leben, woran der Herr nicht schlecht verdient. Während also die Armen für die 'Reichen' sparen, in dem sie im Dunkeln essen, so eine Charakterisierung von Ernst Bloch, nistern sich Regeln des Sklavendasein im Bewusstsein des Sklaven ein. Nur noch erlaubte Fragen sind zu stellen, bzw. Fragen werden dahin tendierend abgeschwächt, dass sie einer Interessen-Bekundung gleichen: „Oh erlauchter Herr, was wünschen sie außerdem noch?“

Ja, der Sklave ist vom Herrn völlig abhängig. Der setzt schließlich die Zeichen wonach der Sklave sich zu richten hat. Tut er das nicht, so würde er sehr schnell zu spüren bekommen, dass sein Leben gar nichts, aber auch gar nichts zählt. Nur die Gunst des Herrn hält ihn am Leben.

Sklavensprache

Dieser Zustand einer Versklavung wird durch eine besondere Sprache zementiert, und wodurch der Herr vollkommene Macht und Recht über den Sklaven erhält. Einmal in dieser Sklavensprache verfangen, kann der Sklave nicht einmal im Schweigen mit sich selber reden. Er ist der Gewissheit seiner selbst beraubt, und darum ohne Würde. Einmal in solch einem Zustand verfangen, kettet er sich um so mehr an den Herrn. Er adoptiert dabei die Sprache eines Dieners. Täglich demonstriert er mindestens zwanzig Mal seine Ergebenheit dem Herrn gegenüber. Das gelingt ihm am ehesten, wenn er es vermag seine Unterwürfigkeit so darzustellen, dass der Herr keine Furcht mehr vor ihm haben muss. Schließlich wissen beide um die erfahrene Ungerechtigkeit und Ungleichheit die von solch einer Beziehung ausgeht. Sie wissen darum insgeheim solch erfahrene Ungerechtigkeiten können jederzeit zur Revolte verleiten. Darum neigen die Herrn den Sklaven mit einem nie ganz zu zähmenden wilden Tier zu vergleichen, und dementsprechend sind sie dazu geneigt ihn auch als solches zu behandeln.

Die Sklavensprache dient dem besonderen Zweck einer Bereitschaft jederzeit zu dienen. Das geht weit übers bloße Demonstration einer Kompromiss-Bereitschaft hinaus. Die Konsequenz davon bedarf einer genauen Beschreibung.

Der Sklave geht auf sprachlicher Ebene einer Form der Versklavung ein, insofern er meint nur noch existieren zu können, indem er dem Herrn dient und folgt. Das Verleitet zu einer Verneinung eigener Möglichkeiten aus dem Potential Mensch zu sein, schöpfen zu können. Er erhebt darum keine Ansprüche aufs Existieren-können in Freiheit. Gleichfalls muss der Herrn darauf achten, dass diese Beziehung jenseits jeglichen Kompromisses bleibt. Gelingt ihm das, wird der Sklave voll und ganz ein Verhandeln um bessere Bedingungen aufgeben. Sobald dieser Zustand - in der modernen Sprache wird dies als 'sozialer Frieden' bezeichnet - eintritt, besagt das der Sklave hat jegliche Hoffnung auf Freiheit auf gegeben. Er richtet sich dementsprechend auf diesen Zustand ein und lebt nur noch im Bewusstsein völlig von der Gnade des Herrn abhängig zu sein.

Bei solch einer Gnade handelt es sich um eine scheinhafte Integration des Sklaven ins gesellschaftliche Leben des Herrn. Das erinnert sogar an eine Erfahrung die Hölderlin machte als er als Hauslehrer bei einem Geschäftsmann in Frankfurt war. Seine Position war eine noch niedrigere als die der Diener im Haushalt. Während er mit der Frau des Geschäftsmannes sich verständigen konnte, war es ihm dennoch schleierhaft wie sie sich stets liebevoll lächelnd die Gäste begrüssen konnte. Kafka gab später in einem Brief an Felice zu, dass er nicht unter solchen Geschäftsmännern sondern nur zwischen den Zeilen die er an sie schrieb, existieren können. Was da geschieht, erfasst das englische Wort 'obliterate' - ein Auslöschen des Selbstbewusstsein - sehr genau. Der Sklave kann nur dann ins gesellschaftliche Leben des Herrn eintreten, wenn es nichts mehr zum Verhandeln gibt und er sich dem blindlings unterordnet d.h. sich selbst und persönliche Interessen völlig auslöscht. Allein das blinde Gehorchen macht dann den vom Herrn erlaubten Sprachverkehr zwischen ihm und dem Sklaven möglich.

All das verlangt allerdings ein hohes Maß an Vertrauen des Herrn in seinen Sklaven. Schließlich wer beschützt den Herrn während des Schlafes, wenn nicht der ihm treu ergebene Sklave? Der Sklave weiß dies zu schätzen welch ein hohes Maß an Vertrauen ihm entgegen gebracht wird. So tut er das seinige hinzu, um wirklich unfrei, nur noch abhängig von der Gunst des Herrn zu sein. Hier versichern sich Herr und Sklave gegenseitig dass die Grenze zwischen 'unten' und 'oben' ein fester Bestand ihres freilich nur von Seiten des Herrns geregelten Verhältnis ist.

An welche Sprachregelungen jeder sich zu halten habe

Die Sklavensprache entsteht da, wo Sprachregelungen bestimmen wie die Herrschaft anzureden sei, und was unwidersprochen hingenommen werden muss. Folglich wird dem Sklave ein bestimmter Sprachzwang auferlegt. All das verdeutlicht wie sehr Sprache und Herrschaft eng zusammen hängen.

Wie jemand spricht, sagt bereits sehr viel nicht so sehr über die Person, als vielmehr über die eigene Befangenheit aus. Ein Sklave neigt dazu sich selbst zu verneinen wenn er versucht etwas anzusprechen. Umgekehrt geht die Herrschaft selektiv vor und urteilt demnach geflissentlich, wer wird gebraucht und wer ist sozusagen Störenfried bzw. nur Sand im Getriebe. So urteilt Gadamer jemanden ob der wüsste wie allein das Wort 'Ganz' zu verwenden sei; wenn nicht, so die Schlußfolgerung von Gadamer, dann könne jener nicht die ganze deutsche Sprache nicht begreifen. Es lag Gadamer völlig fern mal über seine Vorurteile nachzudenken, doch er behauptete Menschen die da unten seien, sie hätten bloß einfache Gegensätze wie kalt und heiss im Sinne wenn sie ihr Befinden beurteilen würden, weil außerstande differenziert zu denken. Letzteres wäre demnach Beweis für die Zugehörigkeit zur Herrschaft wobei Gadamer noch eine Ergänzung zu Heideggers Begriff von Führer sprachlich hinzufügte. Denn er verlangte vom einzelnen sich nicht aufs Subjekt-Sein zu besinnen, sondern sich durch die Sprache 'führen' zu lassen. Hierzu kann dann einiges im Anschluß zu Martin Jays Benjamin-Aufsatz über das Erlebnis bzw. Erfahrung ohne Subjekt noch gesagt werden, aber solche sprach-philosophische Thesen gehören zu weiteren Untersuchungen des Zusammenhanges von Sprache und Faschismus z.B. Jean Pierre Fayes 'Totalitäre Sprachen', aber auch Peter Weiss mit seiner Abhandlung von 'Aesthetik des Widerstands'. 

Das Ausweisen-müssen wurde ferner von Dieter Henrich Hegelianisch zur Pflicht, um Zugang zur gesellschaftlichen Institution zu erhalten. Fulda benutzte das um alles was sich dem nicht beugte nach außen zu verdrängen, und zwangsweise sich alleine der Realität stellen. Zwar gehen all diese Vorkehrungen mit gesetzlichen Vorlagen einher, aber zwecks Einhalten genügt das Gesetz allein nicht. Es müssen schon bestimmte Sprachregeln im Alltag befolgt werden, will der Unterschied zwischen Herr und Sklave bewahrt bleiben.

All das kann auch per Kleiderverordnung fortgesetzt werden. Der Sklave liefert dann freiwillig den Beweis jeder Zeit bereit zu sein sich der Vorordnung bzw. Kleidernorm zu unterwerfen. Erst die Studentenbewegung in 1968 sorgte für erste Unruhen in den bürgerlichen Schichten als die Studenten sich anschickten ohne Krawatte und in Jeans ins Theater zu gehen. Am Aufsehen welches das damals erregte, kann erkannt werden welche Macht sich hinter diesen als soziale Normen getarnte Zwänge verbirgt.

Gleichsam besteht im Islam der Zwang für die Frau nur verschleiert ins öffentliche Leben zu treten nicht nur aus religiösen Gründen; es ist ebenso ein Machtmittel da jeder Widerstand gegen die geistliche Obrigkeit sofort erkennbar ist, wenn eine Frau mit freiem Gesicht und ihr Haar sichtbar in die Straße tritt. Oft sind es ganz einfache Regeln die ohne viel Sinn den Menchen auferlegt werden, weil es um so leichter dann ist diejenigen die nicht konform gehen wollen, zu identifizieren und auszusortieren.

Trotz Aufklärung verlangte der Philosoph Kant von seinem Diener, dass der sich erst in einer Uniform kleidet, ehe er den Herrn weckt. Vermutlich verlangte Kant das, um sich von seinem Diener abgrenzen zu können. Klaus Heinrich hegte die Hypothese einer Ich-Schwäche bei Kant weil vermutlich von der Angst geplagt, dass die Menschen nicht unterscheiden und sich sagen könnten, wer Herr, wer Diener sei, wenn die Beiden durch Königsberg liefen. 

Sklavensprache macht sich ebenso in der gesetzlichen Forderung bei der Anrede eines Polizisten als Repräsentant des Staates bemerkbar. Der Bürger muss stets die formale Form 'Sie' benutzen, ansonsten liefe ein persönliches 'Du' auf Beleidigung der Staatsgewalt hinaus, und das wäre demnach strafbar.  

An welche Gesetze sich zu halten?

Christa Wolf macht in ihrem Buch 'Kassandra' durch Beschreibungen des Lebens in Troja auf einen wichtigen Unterschied zu Athen der damaligen Zeit aufmerksam. Das tritt zu Tage als der Athener Ratgeber den Trojanern empfiehlt, wollen sie den Krieg gewinnen, müssen sie wie die Athener werden, nämlich hinterlistig sein und ebenso konsequent wie die Athenern gegen die Sklaven vorgehen. Schließlich basiert die Athener Macht auf einer strikten Abtrennung der Herrschaft von jenen die da unten als Sklaven verweilen. Laut Gesetz ist es obendrein strikt untersagt sich unter die Sklaven zu begeben und mit ihnen sozial zu verkehren. Kassandra schaut den Ratgeber erstaunt an und fragt ihn anschliessend wieso die Trojaner überhaupt kämpfen würden, wenn nicht um ihre Art miteinander zu leben zu bewahren. Schließlich wurde Kassandra mehr von ihrer Sklaven-Mutter als von ihrer wirklichen Mutter groß gezogen.

Was Kassandra betont, verweist auf die Tatsache, dass die obere Schicht von Troja sehr wohl den Kontakt zu den Sklaven pflegte und dementsprechend sie auch lebenslänglich würdigten. Ihrer Meinung nach wäre es also absurd gewesen ein ähnliches Gesetz wie bei den Athener zu erlassen d.h. ein Gesetz das jeglichen Kontakt zu den Sklaven unterbindet. Kassandra verdeutlicht dabei etwas weiteres, nämlich selbst wenn einmal erlassen, so würde niemand in Troja sich an solch ein Gesetz halten. Ehe das geschah, so ihre Schlußfolgerung, müssten alle ihren Charakter ändern, um solch einem Gesetz Folge zu leisten. Doch gerade die Trojaner haben den Kampf mit den Athener deswegen aufgenommen, um ihren offenen Charakter auch gegenüber den Sklaven zu bewahren.

Der Charakter ist demnach entscheidend ob es menschlich in der Gesellschaft anderer Menschen zugeht oder nicht. Allgemein gesagt, wodurch entstehen Gruppenzwänge so dass die Menschen sich eher an unmenschliche Verordnungen und Verhaltensweisen halten, als solche oftmals unausgesprochene Befehle zur Konformität zu widersprechen? Es besteht also eine 'unsichtbare Gewalt' wenn sie gegen andere Menschen gerichtet ist, aber keiner dem widerspricht. Christa Wolf mag sehr wohl an ihre eigene Gesellschaft, die DDR und deren 'Blindgänger' dabei gedacht haben.

Somit ist das blinde Befolgen der von oben kommenden Verordnungen ein besonderer Inbegriff solcher Gesellschaftsformationen, in denen die 'Sklavensprache' ein typisches Merkmal ist. Das tritt maßgeblich in solchen auf, in denen, wie der Fall von Südafrika zur Zeit der Diskriminierung der Schwarzen, alle sich rigoros an Absonderungs- und Diskriminierungsgesetze halten, und wo die Staatschefs und die Sicherheitspolizei weitaus mehr zu sagen haben als diejenigen die bereit sind Grenzen zwischen den Menschen zu überqueren, um dadurch Vorurteile abzubauen und den systematischen Ausbeutungspraktiken zu widersprechen.

Suche nach einer gemeinsamen Sprache - das Recht auf Gemeinsamkeit

Widerstand kommt zustande wenn jeder aus einer gemeinsamen Quelle schöpfen kann. Sie ist die gemeinsame Sprache die andere verstehen und auch sprechen können weil getragen von den selben Wertvorstellungen. Als neu entstehendes Sprachbewusstsein (als Solidarnosz in Polen entstand, wuchs der Wortschatz der Menschen von 150 zu über 1500 Wörtern sofort heran) würden sie daraus Respekt und Achtung eines jeden Menschen schöpfen können.

Ökonomische Widersprüche können dann angegangen werden, wenn imstande solch eine Gemeinsamkeit herzustellen. Bloch sah das als ein Recht auf Gemeinsamkeit das jedem zukommt, und somit jeden imstande setzt der Wucht einer ansonsten praktizierten negativen Auswahl zu widerstehen. Denn es kommt nicht nur auf den absoluten Gegensatz zwischen 'arm' und 'reich' an, sondern nach welchen Kriterien eine Auslese getroffen wird z.B. wer erhält Arbeit, wer nicht. Dabei werden ganz bestimmte Menschen vom System her begünstigt, weil anscheinend eher imstande sich den geltend gemachten Kriterien anzupassen ohne jedoch dabei alles persönliche zu opfern. Sie haben durch ihre privilegierte Sozialisierung bereits gelernt nicht alles wörtlich zu nehmen, aber auch erfahren wie solche Kriterien umgangen werden. All das formt Einstellungen zum Grad der vorhandenen Gemeinsamkeit auf die allerdings nur bedingt Verlass ist.

Diejenigen die es schaffen sich ins System zu integrieren, erhalten Privilegien und begünstigen zugleich durch ihr Zutun zum Funktionieren des Systemes den Machterhalt. Sie fördern nicht nur das Zwangssystem bestehend aus bestimmten Kriterien, sondern neigen obendrein dazu eine Indifferenz gegenüber jenen, die am meisten unter diesem Systemzwang zu leiden haben, zu kultivieren. Es zeigt sich vor allem wie über die anderen, und insbesondere über die Armen als die Gescheiterten, bei Kaffee und Kuchen gesprochen wird. Das läuft auf eine insgesheime Absprache mit der Macht hinaus. All das hat zur Folge was Bloch als reaktionäre Entwicklung beschreibt. Sie bekundet sich durch eine Abtreibung sämtlicher Möglichkeiten zum aufrechten Gang zu gelangen. Stattdessen üben sich alle in eine allgemeine Resignation, das System sei ohnehin nicht zu verändern, ein. Nicht einmal ein Minimum an Solidarität mit jenen betroffenen Anderen kommt dadurch zustande, um die Widersprüche ein wenig zu mildern.

Das Herstellen solch einer Gemeinsamkeit setzt voraus sich über bloß fiktive Unterschiede hinweg setzen zu können. Erst dann können Widersprüche gemeinsam gelöst werden.

Doch, wie gesagt, all das setzt voraus, dass der Zustand der Sklaverei politisch angegangen wird. Die Erfolgsaussichten dazu sind zwar sehr gering, denn leider gibt es inzwischen genug Strebungen nach neuen Eliten und Herrschaftsformationen, die abermals die Sklaverei als wünschenswerten Zustand für die Massen wollen. Dabei sollen alle sich durch eine Re-Nationalisierung der Illusion bedienen, es sei möglich vom Streben nach 'wir sind wieder wer' los zu kommen, zum 'wir sind was besseres' überwechseln zu können. Das dient der Kompensation fürs fehlende Selbstwertgefühl in einer Gesellschaft die alles andere, aber nicht menschliche Regungen zu verwerten versteht.

Diejenigen, die solch einem Vorhaben dem System zu dienen, sprechen eben eine andere 'Sklavensprache', als diejenigen die in Gettos dahin fristen. So ist die Bedeutung einer 'Sklavensprache' nicht nur politisch, sondern vor allem auch philosophisch zu ermessen. Einer, der das versuchte, war Ernst Bloch. Er hat einen allgemeinen Blick auf die 'Sklavensprache' geworfen, und zugleich festgestellt, dass es eine schlechte und eine gute Sklavensprache gibt.

Dem Volk aufs Maul schauen

Als er noch lebte (er starb in 1977), galt Ernst Bloch bereits als der Philosoph, der es verstand „dem Volk aufs Maul zu schauen“ bzw. mit deren Sprüchen umzugehen.

In Kenntnis der sprachlichen Materie will Ernst Bloch deshalb auch nicht bei der bloß untertätigen Stimme bleiben, um die schlechte Sklavensprache zu charakterisieren: „Vielmehr die andere Art Sklavensprache fällt auf, die den Herren gefährliche und deshalb von ihnen maskierte. Sie wurde noch nie so eigens, sozusagen formgeschichtlich erforscht, wie sie es verdient; obwohl das auch bibelkritisch recht lehrreich wäre. Denn sie ist nicht wie Texte, die von oben her erst nachträglich verändert oder eingefügt wurden, sie maskiert vielmehr von unten her und freiwillig.“ 2

Gerhard Zwerenz, ein Schüler Blochs, berichtete, dass Ernst Bloch beim Angesprochen-werden dieses Themas stets in Erregung geriet, vermutlich weil von solch einer Brisanz, und dennoch ein völlig unerforschtes Gebiet.

Die Bibel als 'mystisches Kunstwerk

Wenn Bloch sagt 'Bibel-kritisch' solle vorgegangen werden, lehnt er nicht die Bibel rundweg ab. Eher meint er durch ihren enormen Einfluss auf die alltägliche Sprache dadurch dem unerforschten Gebiet der 'Sklavensprache' etwas näher zu kommen. Gleichzeitig gibt er zu verstehen, dass es ebenso die Vorstellung einer Befreiung von einem sich rächenden Gott wichtig sei, weil nur so das 'Menschenkind' mögliches aufzeigen kann. Dazu gehört auch die Befreiung vom ewigen Wiederholungszwang, anders genannt die Rache die einen Teufelskreis der Gewalt und Gegengewalt nach sich zieht.

Schwierig dürft die Befreiung allemal sein. Die Mitteln menschlicher Erkenntnismöglichkeiten sind begrenzt. Das Scheitern der Aufklärung hat das mehr als nur verdeutlicht. Allerdings gibt es hierzu unterschiedliche Interpretationen, und darum liegt die Betonung bei Bloch stets auf dem, was der Fall sei. Zum Beispiel, Hegel meinte Rache kann niemals beseitigt werden, höchstens im Gesetz aufgehoben sein. Bloch meint dagegen es gäbe den aufrechten Gang der nicht Rache, sondern das Recht auf Gemeinsamkeit verlangt weil erst in dieser Form Gerechtigkeit ein menschliches Anliegen aller sein kann. Das zu ermöglichen würde Bloch die konkrete Utopie nennen.

Blochs Hinweis auf eine 'Bibel'-kritische Leseart ist um so bedeutsamer, da der Einfluß der Bibel auf den 'Volksmund' in einem Zusammenhang mit der Sklavensprache noch nie beachtet wurde. Für Bloch stellte sich deshalb die Frage, ob die Bibel für oder gegen das Volk geschrieben wurde. Spontan fällt dabei der Gebrauch des Wortes 'Herrn' ein.

Bloch versuchte demnach das Phänomen der 'Sklavensprache' philologisch zu thematisieren, und zwar eben in seinem Text 'Atheismus im Christentum' durch eine Kritik an der Bibel. 3 Folglich legte er in diesem Buch ein gewisses Bekenntnis zu einer politischen Psychologie ab. Dadurch wird er auch zum Kritiker der Psychoanalyse, die seiner Meinung nach allzu viel nach hinten schaut, alles zurück in die Kindheit verfolgt, und nicht von der 'Potentialität', also vom Maß des zur Wirklichkeit hin drängendem Etwas ausgeht. Bloch will auf einer psycho-linguistischen Ebene die Bewusstseinsfrage mit einer Kritik am Grundtext ergänzen. Entscheidend ist seinem Urteil nach das, was sich vor anderen 'unkenntlich' machen will, um dann als Verkanntes doch zu handeln, ja auch um sich zu rächen, eben weil es keine geordnete Anerkennung erfahren hat. 4 Hier handelt es sich also um etwas mehr als um einen bloß sado-masochistischen Trieb, der übrigens bereits stark genug ist, um zwischen-menschliche Beziehungen zu ergreifen und zu zerstören. Bloch will vielmehr Stellen im Bewusstsein offenlegen, ab dann erkennbar wird mit welchen Methoden Menschen und die Welt beherrscht werden. So versucht er das mittels der 'Sklavensprache' als Ableitung von der Bibelsprache praktisch zu thematisieren.

Wir sprechen halt mal Deutsch

'Sklavensprache' gilt bei Ernst Bloch als die bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte Utopie des 'aufrechten Ganges', weil anscheinend nur noch das getan und gesagt wird, was der Herrschaft als dienlich erscheint. Es ist ein besonderes Problem für die Philosophie, da es in der deutschen Geschichte kaum oder nur selten zu solchen Bewegungen, die imstande waren sich von einer 'maskierten Sklavensprache' zu befreien, kam.

'Sprache' kann zu einem deutschen Problem werden. Insbesondere Blochs Haltung, verdeutlicht zur Zeit seines Exils in Amerika, kann einen besonderen Aufschluss darüber geben, was seine Auffassung der 'deutschen Sprache' betrifft. 5 Das Problematische zeigt sich anhand der Leichtigkeit mit der im Falle eines Streites die Forderung über die Lippen eines jeden gehen kann, dass jemand das Gespräch 'führen' soll! Anscheinend fällt es fast keinen dabei auf, dass dadurch die Gestalt eines Führers wiederum evoziert wird.

Die falsche Verbindung von Verbum und Subjekt ist aber nicht 'nur' ein Sprachproblem für Bloch. Er sieht darin die Potenz einer Versklavung der eigenen Seele an die jeweilige Welt samt Herrschaft und ihre Methoden. Da dies bis hin zur Unkenntlichkeit der eigenen Identität geschieht, kann dem nur mit einer doppelten Reflexion bestehend aus 'Entfremden - Verfremden' als Rückkehr zum Selbst als darin aufgehobenes Selbstverständnis begegnet werden.

Beherrschung durch Versklavung passiert überall auf der Welt. Es hat sowohl berühmte, als auch schlechte Folgen fürs menschliche Selbst-Bewusstsein. Freilich, bereits im Märchenstoff, so zum Beispiel 'Ali und seine vierzig Räuber', deuten sich Möglichkeiten an. Sie zeigen, dass die Sklavensprache noch anders angegangen werden kann, um die Befreiung vom 'Joch der Herrschaft' unterschwellig vorzubereiten. Und eben auf das will Bloch hinaus. Bedeutsam für ihn ist es deshalb festzustellen, ab wann nicht mehr das Kutschen praktiziert wird, also ab wann stattdessen das 'Murren' beginnt. Letzteres ist bereits ein erstes Zeichen von Widerstand.

Nebenbei bemerkt, Murren ist ein recht biblischer Schlag, gibt es doch genug Textstellen in der Bibel, die das 'Murren' des Volkes Israels erwähnen, weil nicht mehr gewillt sich länger am Durchwandern der Wüste zu erfreuen. Hier sind also gewählte Metaphern am Werk, die, einmal von der Grundstimmung abgeleitet, noch ganz andere Auslegungen als die üblichen Text-Interpretationen bedürfen, was der Vorstellung eines Volkes wie es dem Herrn zu dienen habe, betrifft.

Die Betonung der Stimme besagt zugleich wie entscheidend, zugleich prekär der 'gewählte' Zungenschlag ist, vor allem dann, wenn es darauf ankommt, durchzukommen, und sei es erstmals nur vorbei am Pförtner, denn wer weiß was da noch alles kommen wird bzw. davon abhängig ist. 6 Es ist wohl keine Übertreibung wenn behauptet wird, dass sehr viel von der gesprochenen Sprache abhängig ist. Das entscheidet darüber, inwiefern die in dieser Sprache lebenden Menschen es weiter bringen oder nicht in ihrem Mensch-sein, ja auch ob sie imstande sind 'Verbindlichkeiten' einzugehen ohne dabei sich gegenseitig zu zwingen ewig in einem 'knechteten Zustand' zu verharren. Hier dann zeigt sich das kritische Maß laut Bloch, denn nur „der Kuschende spricht, was man oben hören will.“ 7

Sprachliche Formulierungen zählen da, wo mögliche Lösungen 'politisch' denkbar werden. Das Besondere daran ist eine weitere Qualifizierung von Blochs Inbegriff des Potentiellen, wenn es um Mensch-Werden im Zusammenhang mit gesellschaftlicher Entwicklung und Politik geht. Denn nicht alles mögliche wird auch politisch akzeptiert, geschweige realisiert. Beispiele dafür liefern offizielle Verlautbarungen der Bundesregierung betreffs der 'Freundschaft zu Amerika', und dies im Vergleich zu den Redensarten der Vertriebenen Verbände. Dieser Zustand birgt in sich einen großen 'Sprengsatz' insbesondere für die deutsche Versöhnungspolitik zwecks Wiedergutmachung, zumal die aufgeputschte National-Frage so wohl philosophische Probleme des Zusammenlebens verkennen als auch den korrupten Machtverhältnissen mangels einer klaren Sprache nicht wirklich widersprechen lässt. Stattdessen besteht die Neigung ständig falsche Sichtweisen immer wieder und erneut emotionalisieren zu wollen. All das lässt fürs Ausarbeiten der 'Widersprüche in der Welt' keinen gemeinsamen Sprachraum zu.

Entwicklung der deutschen Sprache - mangelhafte Souveränität

Wie es zu solch einer Sprachentwicklung kam, kann kulturell erklärt werden. Allein das Schicksal eines Hölderlins besagt einiges wie mit jenen umgegangen wurde, die die Französische Revolution bejahten. 'Political correctness' ist keine neue Erfindung. Eher war es Gang und Gebe in der deutschen Geschichte, dass die anders Denkenden verneint und obendrein gezwungen wurden den 'Spießrutenlauf' bis hin zur Ich-Vernichtung zu erfahren. Ferner finden allzu viele deutsche Schriftsteller kaum Anerkennung zuhause. Die Emigration nach Amerika an der Bloch teilnahm, ist ein Ausdruck davon. Und die innere Immigration, also eine Art eigens herbei geführte Unterdrückung, die wurde durch eine 'totale' Verunsicherung – Intellektuelle und Wissenschaftler zu Straßenfeger degradiert – perfektioniert und abgesichert. In diesem Zusammenhang ist auch die systematische Verneinung und Abqualifizierung der einzelnen Person zu sehen; dahinter steckt eine besondere Gruppengewalt die sich aus dem Schweigen in der Gruppe jederzeit entfalten kann, weil keiner es wagt Widerspruch gegen die Verneinungen des einzelnen zu erheben.

Der Mangel an 'Souveränität' wird durch eine Über-Identifizierung mit der 'Obrigkeit' kompensiert. So ist vielen Untertanen das Schicksal des 'Gutsbesitzers' wichtiger, als die eigene Lebensgrundlage. Der Verlust eines 'Gutsbesitzer' oder 'Großgrundbesitzers' zählt allemal mehr in der Gesellschaft als ein einfacher Mann auf der Straße, insbesondere wenn es sich um einen Arbeitslosen, oder auch um einen Kriegsheimkehrer handelt.

Bloch benennt das als die Legende die die Geschichte wiederholen lässt, insofern sich nichts darin ändert und alte Verhältnisse wieder hergestellt werden z.B. wenn die Tochter des Riesen den Bauer stiehlt und in ihre Schürze steckt, und ihr Vater sich eher über die Tochter ärgert weil er weiß vom Bauer kommt das Essen, folglich nimmt er ihr den Bauer ab und stellt ihn zurück aufs Feld.

Die Wiederherstellung der Verhältnisse bedeutet genau das: ein 'Unten' und ein 'Oben' funktionieren nur dann als erdichteter Zusammenhang, wenn jeder darin seine Rolle kennt und spielt. So kann ein Flüchtling zwar die historischen Folgen des Zweiten Weltkrieges anerkennen, dennoch auf sozialer und politischer Ebene in irrationalen Widersprüchen geraten. Er kann persönlich zugeben, dass er sehr viel von den Polen gelernt hat, doch auf nationaler Ebene unterstützt er die Position der Vertriebenen Verbände die eine Rückgabe der alten Besitzverhältnisse fordern. Während also der aristokratische Herr sein 'Gut' abermals in Besitz nehmen soll, verdrängt der einfache Mann schlichtweg die Tatsache wie viele unter solch einseitigen Besitzverhältnissen in Wirklichkeit zu leiden haben.

Die Wiedervereinigung ab 1989 war im Grunde genommen eine weitere Restaurierung der ehemaligen Besitz- und Machtverhältnisse wie sie vor 1933-39 Bestandteil der Weimar Republik gewesen war. Ferner wurde bereits von Wirtschaftshistorikern deutlich gemacht, dass die wirtschaftlichen Strukturen die Hitler und den Faschismus hervorbrachten bzw. unterstützten, unverändert nach 1945 weiter existieren konnten, weil die Vier Mächte gemeinsam mit der neuen Westdeutschen Regierung eben den Restaurierungskurs wählten.

Rückblickend scheint es als seien die bestimmenden Kräfte insbesondere nach dem Nürnberger Prozess zum Schluss gekommen, das Leben der Großbourgeoisie und insbesondere die Macht-Vorstellung der Junker-Kaste stellen keine politische Gefahr dar. Richard von Weizsäcker vermochte es seinen Vater im Nürnberger Prozess zu verteidigen, obwohl jener der höchste Staatsdiener im Auswärtigen Amt unter Hitler gewesen war. Doch genau diese falsche Sicht- und Interpretationsweise festigt das Schweigen in der Gesellschaft zu den begangenen Ungerechtigkeiten in der Zeit unter Hitler. So kommt es zu einem regelrechten Wahrnehmungsverlust Mangels eines klaren Gerechtigkeitssinnes und fehlenden Aufarbeitung verschiedener Versäumnisse der ganzen Gesellschaft sich zugunsten der Menschenrechte einzusetzen.

Sozialisierung mittels Sprache: Einübung in Gegengewalt 

Weshalb es zu solch einer apolitischen Sehnsucht, alte Verhältnisse wieder herstellen zu wollen, kommen kann, das kann eher durchs Begreifen wie sehr eigenes Leben mit dem Schicksal des Gutsherrn verknüpft geblieben ist, verstanden werden. Hinzu kommt noch die Methode 'Geschichte' nur nach geordneten Prinzipien gelten und betreiben zu wollen. Vieles wird dadurch ausgelassen. So hielt der Schriftsteller Heinrich Böll dagegen, dass die Bundesrepublikanische Gesellschaft nur teilweise in der modernen Zeit angekommen sei; im Grunde genommen ist sie eine feudale Gesellschaft geblieben, da sie immer noch auf alte, vererbbare Besitzverhältnissen ihre Geltungs- und Machtbefugnisse beruhen ließe.

Sprachlich besteht da eine interessante Verbindung. Heidegger hat sie bemerkt, und für seine Herrschaft konforme Philosophie verwendet. 8 Ein Knecht handelt in Abhängigkeit zum Prädikat 'gut', also einem Adjektiv, das nur dann richtig anwendbar ist, wenn die Folgen seines Handelns gut fürs 'Gut' des Großgrundbesitzers ist. Hier zeigt sich wie menschliche Substanz dem Substantiv der Besitzverhältnisse unter geordnet wird. Das erhellt dann das juristische Urteil wenn festgestellt wird, dass der Knecht das Ansehen seines Herrn in der Gesellschaft geschadet hat und darum für schuldig gesprochen wird, wenn er nicht zugunsten des Gutes gut gearbeitet hat.

Einen Verläufer zu Heidegger gibt es, nämlich Hegel. Jener bezog in seiner Rechtsphilosophie alles auf nur ein Gesetz, und setzte es mit einem moralischen Zuspruch gleich, da anscheinend alle es fordern würden, nämlich dass ein jeder zur Vermehrung des Reichtumes des Staates beizutragen habe. Wer das nicht täte, würde dem Staat und der ihr unterworfenen Gesellschaft Schaden zufügen, und darum schuldig.

Dieses moralische Zwangssystems – Vermehrung des Reichtumes als Naturrecht - zugunsten eines Zusammenfallen von Adjektiv und Substantiv wirkt bis ins moderne Gewerkschaftsprogramm des DGBs hinein, denn da heißt es, „zum Wohle des Volkes soll gearbeitet werden!“

Aus diesem Zuspruch zum System, der zudem widerspruchsfrei zu sein hat, entsteht die Gegengewalt. Darin werden nicht die Widersprüche aufgehoben sondern unterdrückt bzw. zum Schweigen gebracht. Ab dann fehlt dem Sprechenden die Möglichkeit aus dem Schweigen selber Widerstand gegen das unökonomische Reden zu entwickeln. So verlieren viele sich in Raum- und Zeitvorstellungen die als Syntax den lokalen Bezug zum Ort, und darum das Heraustreten aus dem Systemzwang unmöglich machen. Fällt also einer, wird jener nicht mehr im System aufgehoben. Damit zeigt sich wie gefährlich es für den einzelnen wird, wenn das System sich an ihm rächt weil außerstande sich selber mittels Identifizierung mit dem System aufzuheben. Es bleibt nur noch die Sklavensprache als einzige Möglichkeit zu existieren.

Verkehrte Interessen und verdrehte Erkenntnisse

All das ist Grund genug eine Untersuchung der 'Sklavensprache' fortzusetzen. Ausgehend von Blochs Analyse von 'Fremdherrschaft und Tyrannei' insofern er Fichtes Rede zur 'deutschen Nation' problematisiert, stellt sich die Frage was ist im Grunde genommen der Unterschied zwischen 'Nationalismus' und 'Patriotismus'? Kann es überhaupt solch einen Unterschied geben wenn immer noch die Nation als Vollendung der sittlichen Vorstellung als politische Illusion hochgehalten wird, und dies im Glauben eine eigene d.h. nationale Herrschaft könne die 'Macht' der Fremdherrschaft aufheben?

Ausserdem ist von Interesse, dass im neuen Grundgesetz gegen solch eine Illusion von einer nationalen Selbstherrlichkeit vorgebeugt wird, insofern eine andere 'Souveränität' anzustreben sei. Diese andere enthält den Wunsch nach Wiedervereinigung, aber zugleich wird sie nicht näher definiert. Die neue Souveränität ist also eine andere Potentialität. An ihr scheiterte dann die Klage der Grünen gegen die Stationierung der Pershings. Auch schien dieser Widerspruch im Verlangen nach nationaler Souveränität Otto Schily zu entgehen, als er der Bundesregierung den Vorwurf machte, 'sie sei nur eine Gruppe bloßer Ja-Sager', und meinte damit ihre anscheinend völlige Gehorsamkeit gegenüber den USA. Souveränität kann ja auf eine Gemeinsamkeit der Völker verweisen, und zwar als Verantwortung zur Aufrechterhaltung des Friedens. Doch wie so oft der Fall in der Politik, können solche Grundsatzregelungen verschieden ausgelegt und interpretiert werden. Es käme also auf den Geist des Gesetzes an und der ebenso zu respektieren gilt, und dies als lebendiger Widerspruch zu nur einer fundamentalistischen Auslegung die alles Geschriebene wörtlich nehmen will.

Womöglich wird eine Analyse der gesprochenen, als auch geschriebenen 'Sklavensprache' – und Journalisten sind kaum davon frei gesprochen – Aufschluss darüber geben, inwiefern sie es ermöglicht das Gegenteil zu bewirken. Michel Foucault nannte das den strukturellen Widerspruch, insofern das humanistische Reformvorhaben in einer verkehrten Anwendung mündet. Die sichtbaren Ketter werder durch unsichtbare ersetzt d.h. der Mensch im Gefängnis des Schweigens eingesperrt. Das kommt zustande indem alle der Anordnung des Arztes Pinel Folge leisten und dem zuvor angeketteten wilden Mann keine Rückmeldung irgend einer seiner drohenden Gesten geben. Binnen zwei Wochen ist dieser Mann der zuvor noch den anderen Angst hat einjagen können, ganz und gar ein Gebrochener.

Gleiches kommt bei einer negativen Auslegung des Grundgesetzes zustande d.h. wenn im Namen des Gesetzes der allgemeinen Vorstellung einer menschlichen Sprache von Seiten des Staates widersprochen werden kann, und das zwecks Aufrechterhaltung des Gewaltmonopols. Der Begriff einer Souveränität wird spätesten dann ins Adsurdum verleitet, insofern die Anerkennung, dass die Gewalt, also die Gesetz-geberische Kraft, vom Volke ausgeht, in einer Nicht Anerkennung mündet. Das macht spätesten dann bemerkbar wenn der Staat sich anschickt sich gegen diese 'Gewalt' des Volkes zu schützen. Ergreift der Staat demnach die Notwendigkeit der Gesetzgebung auf diese einseitige Weise, bewirkt das eine gesellschaftliche Entwicklung die doch wieder in einem 'Sklavendasein' mündet.

Sklavendasein

Was ist Sklavendasein? Hermann Broch fast das in seinem Roman 'Der Tod von Virgil' in einem schlichten Satz zusammen: „Der Sklave, der sich unbewegten Gesichtes hinter dem Gefolge aufgehalten hatte, schickte sich an, den Auftrag auszuführen.“ 9 Sklaven wurden zur Zeit des römischen Imperiums, und nicht nur dann, nach Talent, Schönheit und Geschick beurteilt. Sie hatten einen Marktwert und wurden entsprechend gehandelt. Falls ihr Herr sie nicht mehr brauchte, wurden sie verkauft. Manche schafften es sich selbst freizukaufen, oder durch besondere Dienste vom Sklavendienst befreit zu werden. Allgemein waren sie aber sehr harten Bedingungen ausgesetzt. Neben der Willkür des Herrn kamen noch die Sklavengesetze hinzu. Sie unterschieden sich von den Gesetzen die für Bürger der Stadt oder des Imperiums galten. Folglich wurden sie als Menschen zweiter Klasse behandelt, und obendrein ihnen eine Recht auf Gleichbehandlung abgesprochen. Diese schärferen Gesetzen entsprachen den Grausamkeiten des Systemes unter denen nicht nur sie zu leiden hatten.

Sklaven in Rom 

Noch heute kann man eine Ahnung davon erhalten wie es im robusten Rom einst zuging, wenn man als Besucher auf abgetretenen Pfaden oberhalb des Kolosseums wandelt und dann auf die massiven Steinwände herab blickt. Es wird einem dabei bewusst die wurden von den Sklaven errichtet. Wie einst in Ägypten wurden damals die Sklaven als Träger schwerer Lasten benutzt.

Später, zur Zeit der schlimmsten Verfolgungen, wurden die Sklaven neben den Christen zum Vergnügen der Massen als Fraß für die hungrigen Löwen in die Arena geworfen. Kein Sklave war vor solch einem Schicksal sich sicher. All das bildete aber nur ein Vorgeschmack für was noch in der Geschichte kommen sollte.

Noch heute kann einem das Schweigen beim Betreten des Kolosseums befallen, denn die vielen Hilferufe der Sklaven ertönen noch immer aus den Wänden und können einen erzittern lassen. Oft scheint es kein Flehen um Gnade, sondern ein menschlicher Aufschrei zu sein, einer der obendrein nicht in der Geschichte verstummen will.

Insbesondere wenn sie im intimen Bereich der Herrn dienten, konnten Sklaven sehr schnell solch Grausamkeiten ausgesetzt sein, das dies kaum vorstellbar ist. Verloren sie die Gunst der Herrin, und das oft weil sie sich nicht ihr gegenüber als gehorsam genug erwiesen, war die Sklaven den grausamsten Strafmechanismen ausgeliefert. Das kleinste Zeichen an Widerspruch genügte, und das bei drohender Überschreitung der strikten Trennungslinie zwischen unten und oben, und die Herrschaft konnte es sofort veranlassen sie dem Spektakel in der Arena zwecks Vergnügen der Massen zu übergeben. So als müsste ständig und erneut Vergeltung für auch nur potentielle Überschreitungen quasi als Vorbeugemaßnahme verübt werden, um sicher zu gehen, dass die eigene Herrschaft über die Sklaven aufrechthaltbar ist.

Doch der Hilferuf der Sklaven lässt einen aus noch anderen Gründen erschaudern. Denn wie oft sind solche Hilferufe in der Geschichte ungehört geblieben? Das gilt auch für die aus Berlin verschleppten Juden. Da gibt es die verschiedensten Formen an Versklavungen, angefangen mit Kinder-Prostitution und nicht beendet mit den Arbeitslagern, den Gulags, in der Sowjet Union. Angesichts solch einer Geschichte der Sklaverei bleibt die Frage bislang unbeantwortet, wie kann all dem widersprochen werden?

Sklaverei in der griechischen Antike

In der griechischen Antike hießen die Sklaven Heloten. In Sparta bildeten sie die geängstigten Massen, also eine Art zweite, gleichsam lebendige Schutzmauer die außerhalb den eigentlichen Stadtmauern von den Sklaven selber gebildet wurde. Auf engstem Raume zusammen gepfercht, in dunklen Lichtverhältnissen gehalten, wurden sie obendrein von den Spartanern regelrecht durch terroristische Methoden unter Kontrolle gehalten. Die kam zustande weil die jungen Männer von Sparta eine besondere Reifeprüfung zu bestehen hatten: sie mussten sich in die Sklavensiedlung einschleichen, dort die Nacht abwarten, um dann einen Heloten aufzulauern, um ihn zu ermorden. Anschließend mussten sie sich aus dem Staube unerkannter Weise machen d.h. ehe die nun aufgebrachten Sklaven ihn erwischen konnten. Erst nach solch einer Mutprobe wurde der junge Spartaner in den Kreis der hart geprüften, gleichsam Kriegs-gesonnenen Älteren aufgenommen.

Was oftmals dabei übersehen wird, ist dass diese terroristische Bluttat an den Sklaven als Reifeprüfung die jungen Männer mit der Herrschaft in Sparta verkettete (eine ähnliche Zwangsrekrutierung geschah während der Nazi-Zeit wenn verlangt wurde im Grunde genommen Straftaten gegenüber den Juden, Zigeunern, Homosexuellen, Intellektuellen u.a. zu begehen, denn einmal solch ein Verbrechen gegen die Menschheit getan, gab es kein zurück mehr). Solch eine Reifeprüfung bereitete die jungen Männer nicht nur auf Krieg und Methoden zwecks brutaler Unterdrückung vor, sondern es lief außerdem auf eine Verschwörung gegen die Wahrheit hinaus. Entsprechend sah die Gesellschaftsordnung in Sparta aus. Hatte einmal der junge Mann solch eine Tat begangen, wurde er zwar in den Kreis der Älteren aufgenommen, aber er selber konnte dann nicht mehr die Älteren wegen deren ungerechten Behandlungen der Sklaven anklagen. Schließlich hat er sich selbst-verschuldet indem er ebenfalls wie sie handelte, um die Reife bzw. die Anerkennung der Älteren zu erlangen.

Verschwörung gegen die Wahrheit

Solch eine Verschwörung gegen die Wahrheit geht einher mit einer besonderen Verstrickung, die auf nichts anderem als auf die Korruption des Geistes hinaus läuft. Solch eine moralische Korruption lässt eine 'Theorie der Gerechtigkeit' bis hin zur Unkenntlichkeit verdrängen and bewirkt eine derartige abgehärtete Herrschaft weil ab dann völlig gleichgültig gegenüber dem Schicksal der Sklaven.

Dies war, wie es sich erst später heraus stellte, der kürzeste Weg hin zur 'Unvernunft' und darum zum Peloponnesischen Krieg weil keiner es vermochte vorzeitig die Stimme der Vernunft zu hören bzw. anzuerkennen. Jener Krieg leitete den Untergang der griechischen Kultur ein weil völlig verschlossen gegenüber dem Leiden anderer Menschen. Jede offene Kultur würde auf den Mangel an Gerechtigkeit verweisen und den Wunsch der Sklaven nach Befreiung aufgreifen. Es kam leider nicht dazu. Stattdessen herrschte außer dieser menschlichen Ungerechtigkeit, obendrein Neid und Hass, und die waren die besten Gifte, den Krieg anzustacheln.

Die paradoxe Handlung von Sokrates

Ein weiteres Indiz für den negativen Umgang mit Sklaven in der griechischen Antike gibt auch Sokrates zu erkennen. Als er noch vor der Polis seinen eigenen Prozess abwartete, und zwar wegen der Anklage er würde junge Männer verführen, kam ein junger Mann angerannt. Er wollte seinen eigenen Vater wegen ungerechter Behandlung eines Sklaven vor den Versammelten in der Polis anklagen. Sokrates schaffte es ihm dieses Vorhaben auszureden.

War das nicht der Beweis den Platon erbringen wollte, nämlich daß Sokrates im Gegensatz zur Anklage nicht junge Männer verführte? Doch insofern Sokrates es vermochte den jungen Mann umzustimmen, folgte daraus die notwendige Anerkennung des jungen Mannes zweier Gesetze: eines für die Bürger, ein anderes für die Sklaven. Insofern Sokrates das aufrecht erhielt, war das nicht eher der Beweis, dass er doch junge Männer zur Gehorsamkeit gegenüber einer falschen Wahrheit verleitete?

Evident wurde zusätzlich durch diesen Vorfall mit Sokrates und dem jungen Mann, dass es doch einen Unterschied zwischen Himmel und Erde gibt und darum nicht alle gleich vor dem Gesetz der Polis waren.

Höhlengleichnis bei Platon

In Platons 'Reich' formierten sich drei Klassen: Sklaven, Krieger und Philosophen-Könige. Die Sklaven hatten überhaupt keine Rechte; sie lebten praktisch nur frei unter sich, verbunden durch ein gemeinsames Schicksal. Kennzeichen dieses Schicksals war außerdem dass sie viele Kinder hatten. Für Platon waren sie ein Inbegriff derjenigen Massen, die auf dem Fußboden der Höhle angekettet, keinen Begriff von Wahrheit kannten und lediglich versuchten der Projektion von Schattenumrisse, verursacht wenn jemand vor dem Feuer herum sprang, ein Deutungs-Spiel von rätselhaften Figuren ab zu gewinnen. Keiner wusste in Wirklichkeit welche Deutung wahr war. Alles wurde per Konsensus entschieden. Keiner durfte dieses Spiel stören. Derjenige, der es versuchte, insofern er die Höhle verließ und draußen die Schönheit der Welt entdeckte, er wurde von ihnen getötet nachdem er zurück gekehrt war und es versuchte ihnen klar zu machen nicht das Rätsel-Spiel sei das Wahre, sondern die Schönheit der Welt außerhalb der Höhle. Sie wollten das nicht hören.

Solche Spiele betreibt mit Vorliebe die Oligarchie, um vom wirklich notwendigen Nachdenken über eine gerechte Regierungsform abzulenken. Stattdessen wurden die Massen von der wirklichen Wahrheit dadurch fern gehalten, indem sie durch geschickte Verführungen mittels solcher Spiele zum reinen Vergnügen vom eigenen Schicksal abgelenkt wurden. Bekanntlich reagierte Platon auf der Verurteilung von Sokrates mit einer Verneinung der Demokratie, also jene die die Polis bis dahin zumindest vom Anspruch her zu realisieren versuchte. Anscheinend begriff er nicht wie sehr die Verurteilung von Sokrates mit der Sklavenhaltung zusammen hing. Mit grosser Verachtung wurden diese 'Produktivkräfte' der Antike behandelt. Schließlich lebten sie am Fuße der Akropolis ohne den Fortschritt der Antike für die Zukunft der Menschheit erkannt zu haben. Eine ähnliche Verachtung wurde den Nicht Griechen bzw. Barbaren zuteil. In der ganzen Zeit bis zum Untergang kam es nie zu solch einem Kategorienwechsel der solch eine scharfe Abgrenzung vom anderen aufgehoben hätte.

 

Die Sklaverei als System durchaus in der Geschichte

 

Später, in der römischen Welt, spielten Sklaven eine besondere Rolle. Sie waren häufig nützliche Gefangene die nach einem erfolgreichen Feldzug zurück nach Rom genommen wurden, um dort ihren neuen Herrn Künste beizubringen, Künste die die Römer bis dahin noch nie gesehen hatten. Die Römer ließen alsbald die Sklaven die härtesten Arbeiten verrichten und versuchten sie sich dem zu widersetzen, so war ihnen die Todesstrafe sicher. Arbeitsverweigerung war so wenig ein Recht wie sie im Krieg nichts anders tun konnten als dem Befehl des Herrn zu gehorchen. Oft standen sie in erster Reihe and kam es zur Schlacht, so waren sie die Ersten die ihr Leben lassen mussten.

Seit langem wird in der Geschichte die Sklaverei praktiziert. Sie gilt als besondere Form der Verknechtung. Der völlige Freiheitsentzug wurde zum Maß der Herrschaft, denn für sie gilt der Machtanspruch ganz und gar, völlig alleine, ohne Widerspruch, übers Leben der anderen, sprich die Sklaven, verfügen zu können.

Für Sklaven bedeutet das wiederum sie werden anders als Gefangene behandelt und bleiben unfrei da sie als geborene Sklaven betrachtet werden. Ihnen war nur das eigene Schicksal bewusst. Oftmals wussten die Sklaven nicht mehr Bescheid übers Schicksal eigener Familienangehöriger, ob nun Eltern, Bruder oder Schwester. Sie waren von ihrer eigenen Herkunft völlig abgetrennt, und bildeten in diesem Sinne ganz moderne 'Produktivkräfte', über die zu verfügen, eine spezielle Form der Ausbeutung angewendet wurde.

Einmal solchen Zwängen ausgesetzt, kommt es zur Bildung der Sklavensprache. Sie läßt den subjektiven Faktor weitgehend in den Hintergrund treten. Die sprachliche Abtrennung vom menschlichen Selbstbewusstsein macht aus dem einzelnen ein Schicksal, weil dieser 'Subjekt'-loser Mensch in völlige Abhängigkeit vom Herrn geraten ist. Die Verwendung solch einer Sprache ruft wiederholt das Los des Sklaven ins Gedächtnis. So kommt er statt den Aufstand zu versuchen der Regel nach zum Trugschluss, es sei allemal besser zu sterben als unter solchen Bedingungen fortan zu existieren. Eine weiche Alternative zum Tode ist nur dem Herr völlig widerspruchsfrei zu dienen, insofern das Schicksal sich dann vielleicht etwas gefügig zeigt, weil der Herr bislang mit ihm sehr milde umgegangen ist. Zur Kompensation für die Unfreiheit reicht es aus doch ein Dach über seinen Kopf zu haben und trotz der harten Arbeit kostenlose Nahrung, ja sogar den Schutz des Herrn zu erhalten.

So kommt es zur Aufforderung stets die selbe Frage positive zu beantworten, denn außer dem, was sonst könnte ein Sklave vom Herrn noch erwarten? Eher sei er dem Herrn Dank schuldig und es gibt nichts besseres zu tun als die völlige Unterwerfung dem Willen des Herrn. Letzteres wäre dann die gebührende Anerkennung des Sklaven für was der Herrn zu seinem Gunste täte. Der Herr bedarf also ihn, den Sklaven, als Spiegel seiner Tugenden, so dann muss der Sklave dafür sorgen, dass diese Tugende dem Herrn erhalten bleiben. Wenn nicht, dann ist es die Schuld des Sklaven.

Die Aufrechterhaltung der Tugenden war eine Legende der Sklaverei, die das ganze römische Reich beherrschte und so den Ruf im Kolosseum auszeichnete: über die Menschen bzw. Sklaven verfügen zu wollen, so als seien sie dem Schicksal der Tiere gleich gestellt, und dies mit dem Ziel ein bestimmtes Maß an Reichtum und Macht gegenüber den Massen abzusichern. Die Politik des römischen Cäsars wird dadurch kenntlich. Die spätere Bourgeoisie der nachkommenden Gesellschaftsordnungen in Europa hat dieses Prinzip der bloßen Weigerung einen Sklaven als Menschen anzuerkennen, fortgesetzt, insofern wendet sie das selbe Prinzip der Negation des anderen an. In der Hitler-Zeit hiesse es dann 'die Juden seien keine Menschen weil sie nicht kämpfen würde, um sich zu verteidigen, demnach würden sie nichts anderes verdienen als zu sterben.' Dabei nutzte die Bourgeoisie diese vorhandene Legende aus, um eine moderne Form der Sklaverei aus den Ruinen der Antike und des römischen Imperiums zu entwickeln. Nicht umsonst galt der 'Übermensch' als einer aus den Idealen der griechischen Zeit abgeleitete Ideologie zugunsten einer neuen, zugleich 'reinen' Herrenrasse.

Die Sklaverei breitete sich logischer Weise über den ganzen Globus aus. Sie befiel aus Gründen der neuen Handelsbedingungen zwischen Europa, Afrika und Amerika alsbald den neuen Kontinent, und der erst mit seinem Bürgerkrieg im Namen der Sklavenbefreiung ein vorläufiges Ende dem alten Herrschaftssystem aufbauend auf Sklaven bereitete. Die Lieder der Schwarzen 'we shall over overcome' zeugen noch von dieser Zeit. Das ist übrigens ein von Ernst Bloch aufgegriffenes Motiv: Aufspüren der Exodus-Losung um einen Weg aus jenem Land der Knechtschaft zu finden. 10

Sklaverei in der Moderne

Das befristete Dasein eines Sklaven war also bis zum „Winde verweht“ Teil einer monumentalen Bestandsaufnahme über die Verbundenheit zur Erde, und damit zum rechts-mäßigen Anspruch auf Herrschaft. Sklave zu sein, das bedeute deshalb immerzu den schlimmsten Bedingungen im Leben ausgesetzt zu sein. Nicht einmal partielle Vernunft könne die Herrschaft davon überzeugen, dass ihre Methoden die falschen seien, weil ungerecht und menschenfeindlich. So blieb das 'Joch' erhalten, freilich anders als in Russland wo in 1861 die Sklaven befreit wurden und dadurch das Land im Vorzeichen der Revolution einem starken Wandel ausgesetzt war. Doch auf beiden Kontinenten der zukünftigen Supermächte blieb die Bekämpfung der Sklaverei ein 'Sakrileg' westlicher Vorstellungen eines modern Lebens. Intern, und insbesondere nach Überwindung gewisser ökonomischer und politischer Schwierigkeiten, verkümmerte alsbald wieder der Trieb nach 'Freiheit', u.a. weil die ärmsten Schichten der Gesellschaft abermals ihren Anspruch auf 'Souveränität' aufgegeben hatten, und der bolschewikische bzw. kapitalistische Terror das Sagen hatte.

In diesem Durchbruch zur Moderne vollzieht sich eine Veränderung in der 'Sklavensprache'. Bloch hat diese Veränderung aufgegriffen, und weiter entwickelt, insofern er neue Herrschaftsverhältnisse ans Licht bringt. Die Sklaverei wurde 1861 in Russland beendet, vermutlich beginnt da anschließend die neue Sklavensprache: „Der Ausdruck Sklavensprache ist vermutlich russisch, aus dem neunzehnten Jahrhundert, meint die Kunst, sich vor der politischen Polizei (nur vor dieser) als Propaganda unkenntlich zu machen.“ 11

Sich bis zur 'Unkenntlichkeit' zu maskieren, das war bereits die Kunst in Sparta. Junge Männer mussten in die Siedlung der Heloten schleichen, um dort 'unkenntlich' einen Sklaven zu morden. Freilich, die politische Polizei ist nicht mehr mit der Sklavenhaltung in der Antike zu vergleichen, und dennoch jene Polizisten haben ihre 'Seele' an den Staat verkauft, wie einst Faust seine an Mephisto um so an solch ein Wissen zu gelangen, was ansonsten nicht zu ermitteln wäre. Das schließt bereits die Möglichkeit der Folter mit ein.

Vor allem wird dieses Dilemma in amerikanischen Polizeifilmen transparent, wenn Polizisten Foltermethoden beim Verhör anwenden und doch in guter Bloch'schen Manier zugleich 'verschleiert' wird: anscheinend is gut und böse leicht anhand der dargestellten Charakter zu unterscheiden. Somit herrschen als Vorbedingungen die stereotypische 'Leitbilder'. Wer auf der Seite des Gesetzes steht, darf anscheinend alles, und nur der Detektiv, der wird es immer wissen was rechtens ist. So werden Ermittlung frei von Gewissenssorgen vorangetrieben, selbst dann wenn Beweise künstlich produziert werden und der Unschuldige der Rache des Gesetzes - in Amerika gilt noch immer die Todesstrafe - übergeben wird. Alles wird durch den Blick nach 'oben', also dem Gesetz, getarnt.

Vor allem hat die Polizei einen Vorteil über den Kriminellen: Zeit. Das Leben drängt nicht so dicht an sie heran. Es kann langsam vorwärts gehen, und nur der Kriminelle, der zum 'Exit' hinaus fliehen will, zeigt wohin auch der Sklave will: in eine Freiheit die in Wirklichkeit aber im Tode mündet. Es ist eine Verkettung mit endlosen Folgen die in der Tat keine Wiedergutmachung erlaubt. In Wirklichkeit ist dies die Erfüllung einer permanenten Lust auf Rache - eine Perversion des Gerechtigkeitsgefühles sondergleichen.

Kommt es dann zur Konfrontation, gibt es keine Gnade. Es ertönt von seiten der Polizei nur der Befehl: „halt, oder ich schieße!“ Diese Vorwarnung einer Todesstrafe wird spätesten dann Realität wenn Unsicherheit verspürt wird, denn es handelt sich um einen falschen Umgang mit Zweifel, ob der als Kriminelle bezeichnete bewaffnet sei oder nicht? In Zweifelsfalle ist der Schuldige das, so wird fast immer aus Sicherheitsgründen geschossen. Erst später stellt sich heraus, es habe sich um einen unbewaffneten Fahrraddieb gehandelt. Doch einmal als Straftäter identifiziert, werden die Bruchstellen in solchen Ermittlungen als Akt der Verkennung im gewaltsamen Vorgehen, also erst schiessen, dann Fragen stellen, sichtbar.

Das Maskieren als Methode

All das sagt aber noch nichts über Bedingungen einer 'Samisdat' in osteuropäischen Ländern aus. Da ist aber das Maskieren inzwischen soweit perfektioniert, dass keiner letztlich mehr weiß wer für den Staatssicherheitsdienst arbeitet, wer nicht. Alle drehen sich im Misstrauen um die eigene Axis, die nichts mit dem Gravitationsgesetz der Erde zu tun hat. Eher verdichten sich die Intrigen, und selbst beim besten Freund kann keiner sicher sein, dass er nicht für den Staatssicherheitsdienst arbeitet bzw. besondere Dienste leistet. Und wollte einer behaupten, er wüsste in welche Richtung zu gehen sei, um an die Freiheit zu gelangen, so gäbe es rings herum nur verlegenes Lächeln, und im Heimlichen den subversiven Gedanken, der arbeitet bestimmt für den Staatssicherheitsdienst und will mich nur in eine Falle locken. 12 So 'blöd' will also keiner sein, und sich sprichwörtlich wie eine Kuh aufs Eis locken lassen'.

Das Heimtückische daran funktioniert dementsprechend sehr gut, und der Staat kann mit seinen Knechten zwecks Unterdrückung zufrieden sein. Sie kommen ihm bereits drei-viertel des ganzen Weges entgegen. Er, also der Staat, hat die bequemere Arbeit, folglich muss er nicht alles auspacken was er weiß und warum er etwas bestimmtes wissen will, aber er will jederzeit imstande sein zu zeigen, dass er nicht dumm und bestens informiert ist was die Leute so alles denken und meinen, tun und noch mehr unterlassen. Vergessen wird dabei, dass es in den meisten Fällen um Binsenwahrheiten handelt, eben weil jeder weiss in wie vielen und mehreren dummen Geschichten man selbst und jeder andere auch verstrickt ist. Hier tut sich weitaus mehr als was der Begriff 'Verrat' zu erfassen vermag, und auch nicht vom Inbegriff einer Intrige nachvollziehbar ist. Es besagt allerdings wie die gegenseitige Verstrickung, angetrieben von Misstrauen, Neid, Hass usw., inzwischen aus gewuchert ist.

Für den einfachen Menschen dürfte es schwer fallen persönliche Energie frei von diesen gefährlichen Tendenzen zu halten, denn ohne viel Glück und dem Zureden guter Freunde befindet sich jeder sehr schnell erst unbewusst, dann immer mehr bewusst im selben ideologischen Fahrwasser. Das erschwert um so mehr die Artikulation eigens verantwortbarer Position, genügt doch bereits die Kritik am Pessimismus um wirkliche Kritik zum Verstummen zu bringen. Gleichfalls im Westen kann sehr schnell die Kritik mit dem Spruch, 'falls es einem hier nicht gefalle, solle er doch rüber gehen', förmlich 'tot' geschlagen werden, so als handele es sich lediglich um nur eine lästige Mücke. All das wird mangels an persönlichen Erfolgen noch zusätzlich dadurch erschwert, da es fast aussichtslos erscheint etwas menschliches im System zu tun und zu erfahren.

Von Seiten der Regierung und des Staats wird außerdem verlangt, dass der Schein des Optimismus bewahrt bleibt, denn alles habe vorwärts zu gehen. So wird alles zuliebe eines Fortschritts getan, obwohl das wiederum alles unmenschliche am System rechtfertigt, so als seien Zwangsmaßnahmen und Opfer notwendig, um beim Auf- wie Ausbau des Systemes voranzukommen. Somit kann Zuversicht in die Zukunft nur vorgespielt werden während durchs Nichts-Sagen der Schein an Optimismus bewahrt bleibt. Das spielt sich dann jeden Tag in aller Öffentlichkeit ab. Zeitungen und Medien tragen das ihrige dazu bei. Somit ist es allemal kein gutes Zeichen wenn der Staat alleine den Exodus aus der Misere einer Sklaverei gleich einem Moses bestimmen will. Demnach kann es für einzelne Personen oder sogar ganze Gruppen an Menschen keinen Weg in die Freiheit geben solange außerstande selbst zu denken welch konkreten Widerspruch der Freiheitsbegriff zu ihrem gegenwärtigen Leben enthält. Selbst der Lösungsvorschlag, mal spielerisch die Wahl anzugehen, ist keine, solange außerstande sich von den herrschenden Tendenzen loszumachen. Jene sind es die alle für den Staat als die Obermacht vereinnahmen können. Folglich wäre hier noch vielmehr zu sagen, was Menschen durchmachen, wenn Nicht Wissen, Unsicherheit, finanzielle Abhängigkeiten und Ängste vorherrschen, und der politische Einfluss an 'Ideologien' unterschiedlich im Osten im Vergleich zum Westen abermals ins Gewicht fällt.

Aufrechterhaltung der Sklavensprache

Ernst Bloch bemerkte freilich, dass das Maskieren als Methode sich unkenntlich zu machen, viel älter sei als die entwickelte Propaganda-Form der Polizei des Czars. Letztere gilt der Aufrechterhaltung der Ideologie bzw. Herrschftssprache selbst wenn nicht wirklich so gemeint. Bloch meint damit Tarnung sei die erste Form der Verfremdung d.h. ein jeder schickt sich an selber zu beweisen welch guter Parteigenosse und Unterstützer des Staates er sei. Solch Übereifer hat Folgen für die Persönlichkeitsstruktur, und was spätestens zuhause zum Vorschein kommt wenn der Vater Frau und Kinder schlägt, und das zum Ausgleich denn ansonsten hat er überall klein beizugeben.

Bloch gibt durch diesen Einschub etwas weiteres zu bedenken: Verfremdung in dieser Form bedeutet 'Verlegung', ja sogar erstmals nur eine scheinbar 'zufällige' oder 'unschuldige', um zu verhindern, dass etwas unmittelbar herausgefunden wird. Es ist auch ein Vermeiden-wollen an etwas erinnert zu werden. Dadurch wird Ausrede und flüchtige Aufmerksamkeit augenfällig eben weil die Angst eher einen Ausschau aufs Entkommen an einen anderen Ort bekräftigt als das wirkliche und unmittelbare Zuhören zu fördern. Das Nicht-Zuhören entpuppt sich dabei als das Gewollte, um nicht von einer unausweichlichen Wahrheit konfrontiert zu werden. So wird der andere sprichwörtlich im Regen stehen gelassen.

Das Maskieren wird dabei nicht zufällig gerechtfertigt, und zwar mittels der Notwendigkeit der 'Lüge' denn die Wahrheit innerhalb der Hierarchie als Wesensmerkmal des Staates auszusprechen, das gilt einfach als zu gefährlich. Stattdessen bilden sich heraus gewisse Zufluchtsorte wo dann ein Art Geheimnis der eigenen, zugleich vermuteten authentischen Ich-Identität aufbewahrt wird, und aus der Illusion heraus im Verborgenen doch noch Identität bewahrt zu werden, wird gelebt. Erlebbar ist aber die Niedertracht gegenüber sich selber. Das speist sich aus dem Selbsthass auf die ganz unreelle Identität wenn sie im Alltagsleben und auf Arbeit auftritt. Die darin enthaltene Selbsttäuschung gehört noch zum offenen Verborgenen, weil nicht direkt am Ort der Erwartung auffindbar bzw. nicht frei für eine wirkliche Begegnung. 13 Meistens arbeitet da das Selbst mit einer Art 'Zeitverschiebung', und schon sind andere Arten der Erfahrung vom unmöglichen Mensch-Sein gegeben weil nicht in der Gegenwart zugänglich. 14

Einkleiden - Verkleiden 

Zu dieser nicht vorhandenen Erfahrung an Ich-Identität in der Gegenwart gehört eine geschichtliche Chronologie der 'Sklavensprache' die Bloch wie folgt aufzeigt: „Von Äsops Fabeln geht dieses 'Einkleiden' besonderer Art bis zu Montesquieus 'Lettres persanes', dem Frankreich Ludwigs XV. in persischer Maske. Sklavensprache war es zuletzt, wenn ein Porträt Caligulas beschrieben wurde und jedem Leser der Name Hitler auf der Zunge lag oder dahin gelegt wurde.“ 15 Solch ein Mythos der 'Maske' war möglich weil das bloße Geschwätz keinesfalls mit Poesie und der Politik konkurrieren wollte. Sicher war nur die Technik der Abgrenzung durch Beherrschung der 'Sprache' des Kaisers, oder Faschisten. Und diese war wiederum Teil einer Verfremdung die als höfischen Geschmack oder zeremonielle Pflicht ausgegeben wurde.

Fast alle Umgangsformen mit der Macht sind stark mit zeremoniellen Pflichten bestickt, bis im Aura und Glanz der Macht das Grauenvolle am pompösen Gewichten verschwindet, aber dann um so ernster jederzeit zuschlagen kann. Das war auch Hitlers Realität wenn er hinter seinem enorm großen Schreibtisch stand, und der vor ihm stramm Stehende bereits stundenlang die Korridore der Macht hat durchlaufen müssen, ehe er sich schließlich ihm nähern durfte.

Es liegt also nahe die Vermutung, dass die besondere Nähe zum Diktator die 'Sklavensprache' zur gängigsten Umgangsform machte. Sie wurde durch zeremonielle Symbolgesten, einschließlich der Hitler-Gruß, ausgebaut und erstreckte sich bis hinaus auf die Massen. Am deutlichsten kam es zum Verschein wenn alle Soldaten in ähnlicher Uniform im Gleichschritt an Hitler vorbei marschierten. Darum tat sich ein jeder schwer in der damaligen Zeit, aber nicht nur, zu unterscheiden wer sich vor allem auf welche Kosten von wem ernähren ließ, also unmoralisch handelte, wer nicht, und das wenn fast alle vom Staat in irgend einer Form Unterstützung erhielten oder in Abhängigkeit vom Staat irgend eine Funktion ausübten, und es die eines Untertans. Es ist allerdings bekannt das innere Kreise der SS sich enorm bereicherten aber was selten wahr genommen wurde, auch nicht von einem Schergen wie Jürgen Stroop (siehe Gespräche mit dem Henker). Das kommt gleich der Versuchung wenn einmal uneingeschränkte Machtbefugnisse zur Verfügung stehen.

Die Knechte des 'Geldes' zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich durch ihre Dienste für den Staat besondere Zugänge zu noch weiteren Geldquellen sichern (denn ohne dieser Unterstützung von Seiten des Staates wären sie gar nichts). Mit Eifer bahnen sie stets einen freien Weg fürs Geld und zwecks Rechtfertigungen solch eines Handels mit dem Geld lassen sie solch ideologische Tendenzen verkünden und fördern, die es ihnen erlaubt zu glauben alles handele sich dabei um Wahrheiten und nicht Lügen. Daraus entstehen die sogenannten Überzeugungstäter. Sie müssen ihr eigenes Gewissen zum Schweigen bringen noch bevor sie handeln. Es erklärt außerdem weshalb Adorno es spitz zu formulieren konnte, daß ein Deutscher sei jemand der keine Lüge sagen können, sondern er müsse selber imstane sein sich zu überzeugen, dass er nur die Wahrheit und nichts weiteres als nur die Wahrheit sagen würde.

Was ist eine gute Sklavensprach?

Nun hat Ernst Bloch auf seine ganz besondere Art ein Paradox in der bislang noch nicht erforschten Sklavensprache aufgezeigt. Er tat es mit dem Hinweis, dass es als ein fester Bestandteil des Herrschaftssystemes bleiben würde, also von Dauer sei, und nur die Sklaven, die würden wechseln. Somit käme es darauf an den Unterschied zwischen schlechter und guter Sklavensprache zu erkennen:

„Das ist dann gute Sklavensprache, in erlaubtem Sinne sogar geriebene, sie lässt in einer beherrschten und auch noch in einer verordneten Welt Freiheit nicht nur flüstern. Und hat eben auch ein eigenes Schrifttum hervorgerufen, als nicht nur blanke Satire, ja als eine, die, wie das Schweijkische, dies hinterfotzig Ironische zu so vielen Zeiten zeigt, auch nicht geschulteren rhetorischen Dreh braucht und ironische Kenntnis. Sollte in diesen Kreisen etliches aus der Bibel geschult haben, etwa dort, wo so oft gemurrt wird, dies falls hinter vorgehaltener Hand? Nicht nur bei erlaubter Lektüre, auch in Predigten der Arme-Leute-Priester kam dergleichen ja vor. Von der armen Witwe, der ihr Ölkrug nicht mehr gefüllt wurde, bis zur Erinnerung an die Baals- und Mammonspfaffen, in denen man die eigenen sah und meinte. Und dachte der geneigte, gar nicht mehr zu Boden geneigte Hörer sich nicht bei dem Bileam allerlei Queres, der segnen musste, wo er fluchten sollte (4. Moses 22) wie gern wurde in der Sklavensprache dies Verwickelte benutzt, umgedreht, umadressiert, um gerade segnend den hiesigen Herrn wider den Stachel zu löcken. So auch oft, wenn den Sack schlagend und den Esel meinend, die Fürsten rühmend und die Galgen als Beweis herausstreichend. Die Kunst zu fluchen, indem man segnet, wurde später freilich, wenn die damalige Art von Druck wich, von den dann Außenstehenden nicht immer noch verstanden. Gullivers Reisen, voll von höhnisch-getarnter Verfremdung, wurden nachdem sogar ein Kinderbuch, so harmlos, hors de concours, zeitweilig; die Sklaven wechseln.“ 16

Vieles wird erst dann anscheinend möglich, wenn bis zur Unkenntlichkeit hin alle verkleidet und maskiert ihren Diensten nachgehen, und dabei im Rahmen der vorgespielten und imitierten Höflichkeit sich kleine und große Gefälligkeiten leisten – also was üblicher Weise als Korruption bezeichnet wird. Da verrichtet einer etwas, was ansonsten Scham und Verlust an Moral bedeuten würde, falls er sich noch in vertrauter Umgebung von Familie und Freunden bewegen würde. Aber wenn einmal im Staatsdienst, wirkt die Entfremdung sofort und werden Aktionen realisiert die bislang auf der Ebene des einzelnen für undenkbar gehalten wurden. Das Geschick nach rein äußerlichen Umständen alles zu leiten, das hat allerdings andere Reize in sich. Es macht aus sprachlichen Wendungen unverhohlene Angebote. Setzt sich also der 'Führer' direkt mit dem 'Verführten' in Verbindung, so unterlassen beides etwas wichtiges, nämlich das Zusammenbringen von Moral und praktischer Urteilskraft. Nur dann könne Rechtfertigung Anspruch auf Gültigkeit erheben. So aber einigen sich die beiden dass der Sklave keine Rechnung zu Lasten des Führers erstellen kann falls etwas schief gehen würde, oder auch nur das Verborgene publik wird und somit den illegal Handelnden erwischt. Das System stellt von vorn herein sicher der Verführte und zugleich Verfremdete ist stets der Schuldige, sollte er es überhaupt wagen solch einen Anspruch wie Rechenschaft zu stellen.

Prinzip Hoffnung

Aufgehen mit der Sonne tut auch das Teufelswerk, und zwar erneut jeden Tag. Im Grunde genommen handelt es sich ein Mammutssystem, indem die Menschen verfangen sind. Kafka hat das in seinem Stück 'das Schloß' sehr genau aufgezeigt. Es ist eine widerliche Welt weil ohne moralische Prinzipien, sodann keiner einen moralischen Widerspruch dagegen erheben kann. Leider hat darum das von Ernst Bloch erhoffte Prinzip Hoffnung wenig Aussicht auf Erfolg.

Bloch achtete allerdings auf Details um nicht alles einer schlechten Verallgemeinerung, zugleich einer allgemeinen Verneinung von allem preis zu geben. So fand Bloch es wichtig als die Nazis in der Ausstellung der 'entarteten Kunst' jene Kunst für deren Aufzeigen an Lügen unter Strafe stellen wollten, Zeichen eines Widerstands zu notieren. Die Besucher gingen nicht erhobenen Hauptes durch die Ausstellung, sondern senkten ihr Haupt in Richtung Boden beugten, weil sie sich schämten als sie sahen welche Kunstwerke durch solch eine Ausstellung negativ gebrandmarkt wurden. In ihren Gesichtern voller Scham spiegelte sich für Bloch genau diese Geschichte einer guten Sklavensprache.

Das Zertrümmern der 'Spiegel' - gesehen zu werden was ist und nicht eine Darstellung wie man gerne gesehen würde - war die Absicht der expressionistischen Kunst in der Weimar Zeit, und das zuwider der Lüge. Die Verbannung solch einer Kunst nannten die Nazis aktive Kulturpolitik, die Bücherverbrennung miteinbezogen. Ihr Ziel war es jede Art an menschlicher Aufrichtigkeit fragbar zu machen. So ging alles ans 'Eingemachte' weil nur noch das negative oder schlechthin Böses vorstellbar wurde und doch wegen der Verkehrung des Abnormalen ins Normale zu einer selbst destruktiven Kraft wurde. Das verhalft zur Ausbreitung von nur Wut auf sich selbst trotz besseren Wissens bei all dem mitzumachen. Solch eine allgemeine Welle an Wut begünstigte ferner ein Misstrauen. Es schweißte die Leute zu einer militärischen Loyalität zusammen und begüngstigte dass nur eine Partei, also die der Nationalsozialisten, alleine die Staatsmacht kontrollieren und bestimmen konnte. Etwas ähnliches passierte dann in der DDR während in der Bundesrepublik der Kitt, also die Staatsloyalität, zur Restauration verleitete. Sie wurde nur ernsthaft während der Studentenbewegung in Frage gestellt, aber dann auch nur von kurzer Wirkung.

Es erklärt warum die Solidarität zum anderen aus dem Bedürfnis selber ein freier Mensch zu sein, immer weniger zustande kommt. Außerstande dem anderen zu vertrauen, wird die Vermutung der andere wird es niemals wagen einem die Wahrheit zu sagen, zur allgemeinen, aber schlechten Wahrheit. Insofern jeder zu dieser Negativität selber beisteuert, und immerzu nur bestätigt, es sei so, mündet das in die Sklavensprache. Es lässt das Aussprechen von Liebe nicht mehr zu, sondern nur noch bloß ein hass-erfüllter Neid beflügelt quasi das Reden voller Sprüche - in Wirklichkeit eine blind gewordene Wahrheit, die gleich dem Klopfen auf dem Busch um das darin verborgene Tier herauszujagen, denn Sack schlägt, aber den Esel meint. Solche Sprüche füllen bis heute die Bierzelte, und stacheln um so mehr die rhetorisch geschulten Strom Anschließer an sich zu immer besseren Verfechter der neuen Ideologie aufzuschwingen. Das Wort 'Genosse' macht dabei selbstverständlich schnell die Runde, so aber auch der 'Klugscheisser' wenn er zwar wichtiges sagt und meint, aber jeder weiss dies wird niemals zu realisieren sein. All das und noch mehr verleitet zur Verneinung von der Utopie die noch zu retten galt, als die Gefahr bereits immer größer wurde (Walter Benjamin).

Die Geschäftigkeit, mit der ein jeder sich belastet und ausfüllt, ist ebenfalls doppeldeutig. Einerseits gilt das dem Versuch nicht von den anderen in Anspruch genommen zu werden denn man habe ohnehin schon so viel zu tun bzw. etliches am Halse, aber anderseits zieht das noch mehr Mißtrauen auf einen - wohl doch kein treuer Parteigenosse bzw. tauglicher Ansprechspartner? Was dann noch als Zufluchtsort übrig bleibt, wenn der Kontakt zum anderen erneut fehl schlägt, ist ungewiss. Fraglich gilt außerdem eine Art sich in der unmittelbaren Nähe zum anderen so fremd zu fühlen, dass einem jegliche Ortsangabe schwer fällt. Ein jeder müsse sich doppelt ausweisen können: Ientitätsangabe mit festen Wohnsitz wäre das eine, das andere ist zumindest die Zugehörigkeit zur schweigsamen Gemeinsamkeit die sämtliche Differenzen zu überbrücken versteht, und es nicht darauf ankommen lässt im Streit auseinander zu gehen. Das wäre die Art Rest Hoffnung.

Nun galt es bereits als Kunst wenn man sich vom unmittelbar Zwang jeder Zeit zum System stehen zu müssen, zu befreien versuchte. Was dabei heraus kam war "Kein Ort. Nirgends" der von Christa Wolf als Zwischenraum beschrieben wurde. Er befindet sich zwischen sinnlicher Konkretheit und dem abstrakten Fortschrittsglaube irgendwo, kann aber deshalb nicht wirklich existieren weil ohne Verbindung zwischen Unmittelbarkeit und Vermittlung. Das gilt demnach auch der Kluft zwischen mündlicher und geschriebener Sprache. Folglich ist solch ein Zufluchtsort für die eigene Identität weder unmittelbar zugänglich noch tatsächlich vermittelbar.

Der Grund dafür war ein einfacher: wolle man nicht ganz unten bei den einfachen Menschen noch Mitglied der gehobenen Schicht, sprich den Bildungsbürgern, sein, dann sollte man sich bestenfalls wenn nicht im Sklavendasein enden zu wollen, sich auf die Flucht zu begeben. Seit der Romantik verleitete das stets dazu die Rolle des Außenseiters in aller Einsamkeit einzunehmen. Kaftka gab zu er könne nicht neben Felica unter den Geschäftsmännern, sondern nur zwischen den Zeilen der Briefe die er an sie schrieb, existieren. Damit gibt er zu seiner Liebe keine wirkliche Alternative zum bestehenden System geben zu können.

Zwerenz verweist darauf dass Bloch von Nietzsche beeinflusst wurde. Jener sah voraus, dass der 'Supermensch' nicht mehr in der bis zur unkenntlich gediegenen Welt anwesend sein wollte, zumindest nicht mehr als nötig zum Überleben. Doch im Verkennen der Wirkungskraft einer Sklavensprache, kam es im Dritten Reich zum prinzipiellen Vortäuschen des 'Rechtes auf Arbeit' wenn auch nur im vagen Unterschied zum KZ und seiner versprochenen 'Freiheit'.

Wenn gar nichts mehr als sinnvoll erscheint, dann versinkt auch der kümmerliche Rest an Vertrauen im Morast durcheinander geratener Gefühle, und all das, was nicht mehr Anspruch auf eine Form zum Existieren zu erheben vermochte, versank im Meer des bloßen Vergessens. Das Weinen darüber war die nachträgliche Sintflut, so doch apokalyptisch derartig abgeschwächt, dass beim bloßen Ermahnen zur Disziplin und noch mehr Härte alsbald auch das Weinen verboten wurde. 17 Nichts, aber nichts solle an die menschliche Stimme erinnern. Keine Spur des Denkens an die Menschen sollte angesichts der verführten Menschenmasse durch die Diktatur erkennbar sein. 18 Kein Wunder wenn Gespräche über Musik nahtlos zur Vernichtung der Juden in den Kzs, und zurück zum Weihnachten im Kreise der Familie übergehen konnten. Der Ton musste nicht gewechselt werden. Man gab sich sentimental und ergeben gegenüber dem allerseits präsenten Befehlston. Somit blieb alles beim Selben: die Mechanismen mahlten weiter, nur die Sklaven, die wurden gewechselt. Die Züge rollten weiter in Richtung von Auschwitz. Der tiefe Verlust an Menschlichkeit wurde ganz einfach mit neuem Schutt an Misstrauen einfach zugeschüttet.

Tendenzen hin zum oder weg vom 'Sklavendasein'

Um eine politische Situation, in der die vorherrschende Tendenz die der Wiederholung des Sklavendaseins ist, benennen zu können, bedarf es einer Aufschlüsselung verschiedener Einbindungsmethoden in alte und neue Herrschaftsformen. Bislang wurde 'Sklavensprache' allzu sehr mit der Sprache der Sklaven identifiziert. Folgt man aber Blochs Unterscheidung zwischen einer schlechten und guten Sklavensprache, dürfte die maskierte, jene freiwillig von unten her gebildete bzw. verkleidete, für eine bestimmte Unruhe unter den Herrschenden sorgen. Der Untertan macht sich eben dann nicht mehr so leicht erkennbar, so dass das Machtgefüge dadurch bedroht wird, weil die Herrschaft sich nicht mehr sicher ist wer noch ihrem Befehlston folgen wird. Psychologisch entsteht diese Unsicherheit auf Herrschaftsebene aus Angst vor einer von unten kommenden Freiheit. Letztere entsteht wenn die Ich-Vater Imagination nicht mehr die Ich-Findung und darum die existierende Identität zugunsten des Staates als Loyalitätsform bestimmen kann, und gleichzeitig technisch d.h. organisatorisch beurteilt der Unterschied zwischen 'unten' und 'oben' nicht mehr Bestand hat, sondern durch neue Formen der egalitären Zusammenarbeit infrage gestellt wird. Doch das ist bislang ein nahezu utopisches Ziel geblieben. 19

In der Realität zeigen sich viele gewillt sich sich gegenüber dem Staat als 'dienliche Werkzeuge' anzubieten und zu verkaufen. Das entspricht der Tendenz hin zum Sklavendasein; ein Weg da heraus bilden möglicherweise solche Gruppen-spezifische Vorgänge, die sich nicht mehr freiwillig einem Herrschafts-konformen Verwertungsmuster unterwerfen wollen, und praktisch ein über das System hinausgehende Verhaltenskodex entwickeln. Hier wird der normative Gebrauch bestimmter Dispositionen hin zu einer neuen Ethik geltend gemacht z.B. die Straftat eines anderen nicht mit Rache zu vergelten, sondern progressive Rechte im Justizsystem gelten zu machen. Dazu gehört die Abschaffung der Todesstrafe. Jede Rechtssprechung hat schließlich auf einem ethischen Fundament zu stehen, und muss darum Sorge tragen, was immer das Strafmass, der Täter sich in einer zukünftigen Gesellschaftsformation zu integrieren vermag. Interessanterweise hob Frazer in seinem Buch 'der goldene Zweig' die Praxis afrikanischer Stämme hervor, insofern ein Krieger der im Namen des Dorfes einen anderen von einem anderen Dorf ermordet hatte, bei seiner Rückkehr als Kranker betrachtet wurde. Er musste dementsprechend isoliert vom Rest des Dorfes am Rande in einer einsamen Hütte wohnen, solange, bis er Integrations-fähig war. Solch ein Recht in Verbindung mit dem Freiheitsbegriff kann vor einer gewissen Doppelmoral schützen denn selbst bei einem Mordfall sollte der Akt nicht wiederholt werden, insofern es keine Todesstrafe dafür geben soll.

Von solch einer Haltungda kann eine bestimmte 'moralische' Wirkung auf die Menschen ausgehen, vorausgesetzt sie verlieren niemals ihre Kraft jederzeit zu rebellieren und verlernen es nicht den versklavenden Tendenzen zu widerstehen. Wollen sie also ein gesundes Leben, dann im Sinne von auch dem freien Gewissen, wobei sie auf sprachlicher Ebene es verstehen bewusst Zwänge des Staates zu begegnen, um nicht bloss konform zu gehen. Das Leben nach einem freien Willen beinhaltet dieses Grundrecht. Es würde die politische Situation mit Anspruch auf Befreiung vom ewigen Sklavendasein markieren. Doch leider ist das nicht immer so.

Bloch erfasste die Situation auf seine nüchterne Weise: „Gehe man von dem aus, was unser Fall ist. Es ist für die meisten ohnehin der, nur gebraucht, abhängig, geschoben zu sein.“ 20

Empathie in solch einer Situation zu finden, und dies frei von Mitleid, das würde heißen das gemeinsame Vertrauen durchs imaginäre Selbst so zu stärken, dass das Selbst in die Lage wäre sich in die Situation der anderen hinein zu versetzen. Solch eine Empathie würde die Schicksals- in eine Solidaritätsgesellschaft verwandeln. Doch wenn es beim gängigen Bild bleibt, also sich selbst nur geschubst und erniedrigt zu meinen, aber ohne dieses Leid mit anderen zu teilen, bliebe nur Negative schlechthin bzw. die Aussichtslosigkeit auf Befreiung bestehen.

Einst, und verborgener Weise auch heute noch, war der gemeinsame Fundus des geteilten Schicksals die der 'Lohnabhängigkeit'. Doch statt aus der Praxis eine Theorie der Freiheit zu entwickeln, erzeugte ein gewisses Mitleid wegen der allgemeinen Unfreiheit eine 'politische Ohnmacht' insbesondere bei denjenigen, die ganz 'unten', ohnehin nicht sehr viel zu sagen haben. 21

Das Gefühl Ausgeschlossen-zu-sein und dennoch im System wenn nicht arbeiten, dann doch fristen zu müssen, verstärkt die Neigung sich mittels einer Identifizierung mit einer illusionären 'Größe' über eigene Schwächen hinweg zu retten. Hitler konnte diese Abhängigkeit von einer projizierten Hoffnung auf eine Größe da 'oben' geschickt für seine Machtausübung und pervertierten Ziele ausnutzen. Gleichsam setzt sich das fort, wenn auch etwas modifiziert, in der heutigen Zeit. So wird in der modernen Demokratie der routine- mäßige Politiker, frei von irgend welchem Gewissensbiss, davon ausgehen, was alle ohnehin wissen: ohne Beziehung bzw. einem bestimmten Draht nach 'oben' wird gar nichts, aber auch gar nichts gehen!

Wenn also solche Orte des Schweigens ausfindig zu machen sind, und das noch ehe die 'Herrschaftslogik' sich darüber verdichtet, 22 dann ist zu überlegen ob nicht eine 'Spurenverwischung' (Verdrängung an Geschichte) mit einer bestimmten Sprachlosigkeit bzw. politischen Hilfslosigkeit einher geht? Letzteres müsste aber genauer definiert und untersucht werden. Offensichtlich ist die Sprachlosigkeit in dem Moment erfahrbar, wenn den in der Gegenwart geltend gemachten politischen Argumenten nichts, aber auch nichts entgegen gesetzt werden kann. Warum so viele in dem Moment sich außerstande fühlen sich etwas 'Gescheites' zwecks Erwiederung einfallen zu lassen, besagt etwas übers Erinnerungsvermögen schlichthin, aber auch wie das Bewusstsein beherrschbar ist. Oftmals wird aus Angst alles andere verdrängt und erst dann erinnert wenn zu spät. Dieser Zustand des Verdrängens verweist auf etwas hin, nämlich dass nicht so gelebt und gedacht wird, das Erinnerungsspuren hinterlassen werden, um später mal darauf zurück kommen zu können. Die Erinnerungsspur bildet sich erst laut Freud durchs Heraustreten aus dem System. Es veranlasste Karl Jaspars dazu zu sagen, schlimm muss der Zustand sein wenn eine Person gezwungen wird ohne Gedächtnis zu leben.

Sobald also nicht mehr die Rede von dem, was der 'Fall' ist, sein kann, bleibt offensichtlich nur noch das 'Schweigen'. Noch mehr, es mündet in der traurigen Beteuerung nichts anders ginge als nur das gängigsten Prinzips, nämlich das 'Mitmachen' bzw. 'Mitlaufens' zu bestätigen denn alles andere sei sinnlos bzw. witzlos. Egal welcher Weltanschauung, ob nun institutionell verankert oder in der Literatur zuhause, trug solch eine Alternativlosigkeit und Resignation wesentlich zum Mitmachen bei der nationalsozialistischen Machtstrebung bei, und dies mit dem Ziel abermals einen starken Staat zu haben.

Heute kehrt das wieder in der Form einer Unterwerfung der stärkeren Macht, nämlich die des Geldes, was so viel besagt, dass die menschliche Stimme, der Protest der anderen nicht gehört wird. Um so mehr besteht die Gefahr erneut ins 'Irrationale' abzugleiten. Das würde bedeuten in einer Situation immer noch dann auszuhaaren, obwohl die längst nur noch durch Ausweglosigkeit und Aussichtslosigkeit bestimmt ist, und dies immer mehr zum eigenen Schaden. Darum auch die verwunderte Frage der Engländer angesichts dem was die Deutschen im Zweiten Weltkrieg unter Hitler durchmachten, denn wie ist es nur möglich zu viel Leiden auszuhalten? Das viele sich dennoch freiwillig solch einem Schicksal unterwarfen, deutet sich allerdings durch den Zuwachs einer Bereitschaft zum Maskieren an. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg hat Paul Tillich bemerkt, dass Arbeitende an ihren freien Tagen mit 'Stehkragen' umher liefen. 23 Seitdem hat sich der Kult der Imitation weiter entwickelt, und gibt wieder, was die da 'unten' glauben und meinen, tun zu müssen, um 'oben' angesehen zu werden, ja auch da 'oben' gut anzukommen. 24

Da geht es nicht um den Kindestraum wie es einem gelingen kann in den Himmel zu kommen, sondern um ein irdisches Maß des Möglichen. So neigen selbst junge Leute die sich bei der Alternativen Liste in West Berlin engagieren, dazu, genau so zu reden, wie sie sich es vorstellen, sei mit den Politikern der etablierten Parteien zu reden. Nicht das Establishment als solches wird angezweifelt, sondern der Schein des 'Erfolges' wirkt immens und beeinflusst das Weiterdenken, wie kann man nur an die Macht gelangen.

Mit anderen Worten, der Erfolg der von der Gesellschaft gepriesen wird, macht alles im Lichte der Macht um so begehrenswerter, weil dann einem das Gefühl umschleicht, endlich jemand zu sein. Es negiert somit all das was bei dumpfen Licht in den eigenen Reihen als zu selbstständig d.h. unabhängig von einer Anerkennung durchs System, sein mag. Hier wird also die eigene Freiheit negiert, und zwar zugunsten einer Unfreiheit die dennoch mit der herrschenden Tendenz einher geht bzw. sich unmittelbar an Herrschaft anpassen kann. Das hat sich bereits bei den Alternativen bemerkbar gemacht, wenn auch noch nicht so auffällig wie im Privaten, wo längst Räume durchschritten werden nach dem Muster neuer Herrn, die sich abends auf dem Bildschirm bei Talkshows in all ihren Schwächen zeigen, aber auch Möglichkeiten sich am neu beginnenden Ausufern an Reichtum zu götzen ausnutzen. Und da vieles 'Verbotenes' gezeigt wird, regt sich der Geist in Richtung einer perversen Begierde nach etwas, was nicht unmittelbar zufrieden zu stellen ist. Herrschende Tendenz bedeutet immer das Aufgeben von etwas Wahren. Und wird dieser Prozess der Anpassung durch Ritual und 'Pathos' verstärkt, bleibt nicht aus, das 'sooner than later' (eher früher als später) die Devise ausgegeben werden muss, die da 'unten' sollen erneut Opfer bringen.

Ein Mann wie Kafka hat das bereits frühzeitig erkannt: Liebe wird unter solchen Umständen nur noch möglich sein, indem der Vater entweder seinen Sohn opfert oder aufgibt. Darum ging Bloch die Bibel kritisch an, weil darin sichtbar wird wie eine Verzahnung an menschlichen Leben mit einer Gottesvorstellung bis ins vierte Glied der Generationskette hinein reicht und sich negativ auswirkt, falls ein allzu deutlicher Versuch unternommen wird Widerspruch von Seiten dieser Familie gegen diese Herrschaftstendenz zu erheben. Nur beschränkt werden Abweichungen toleriert, insofern die Ausnahme das allgemeine bzw. vorherrschende Prinzip erneut bestätigt.

Um nochmals auf bloße Imitation der Reichen und der Mächtigen zurück zu kommen, so hat das zur Folge, dass die Reden immer hohler wirken und eher von dreisten Sprüchen ersetzt werden. Nicht menschliches, zutiefst emanzipatorisches wird angesprochen, sondern Beschwichtigungsformeln betätigen feine Mechanismen zwecks einer 'subtilen' Verkettung des Denkens mit nur noch dem Affirmativen. Das diese falsche Bejahung mittels negativer Meinungsbildern erwirkt wird, scheint keinen zu stören. Verschwiegen wird bei aller Reklamation dennoch Erfolg im System zu haben die Aussichtslosigkeit aufs Gelingen möglicher Emanzipation von den Herrschaftsverhältnissen, insofern nicht einmal ein ernsthafter Versuch unternommen wird. Dadurch festigt sich die 'Verschlossenheit' in der Kultur. Kein Wunder wenn Denken sich daran wund reibt, oder gar allzu schnell ins Stocken gerät, wo ansonsten Bewegung zu erwarten wäre. Da hilft kein Wunder, noch die bloße Aufforderung zum 'Weitermachen', eben weil die 'Wiederkehr des Selben' einfach überall dominiert, so dass jeder nur das versteht, was das System vor einem Zusammenbruch bewahrt. Somit kommt es zu keiner politischen Bewegung die imstande wäre Herrschaft zu enttarnen. Es kommt auch nicht zu einer artikulierbaren Freiheit, geschweige zu einem deutlichen Widerspruch. Was übrig bleibt mündet im typischen Ausdruck von Resignation: 'ich finde mich nicht mehr zurecht.' Dem ist nur noch beizupflichten angesichts einer noch viel größeren Verwirrung die von typischen Politik-Managern in der Gesellschaft angestiftet wird, und darum anders als Moses keinen 'Ich-Du' Dialog mit einem Gott zwecks Gesetzgebung, also in der Form von zehn Geboten, ermöglichen kann. Dabei ist das Schaffen von Gesetzen im Grunde genommen ein sehr kreativer Vorgang, voraus gesetzt es werden alle Faktoren beachtet, um mit Weisheit und Rücksicht Dinge zu ermöglichen wo notwendig und da etwas zu unterbinden, um Schaden abzuwenden. Stattdessen lassen die Parteien und ihre Manager nicht die Leute an diese Formulierung von Gesetzen heran. Eher begeben sie sich nur dann unter den Bürgern, wenn sie auf Stimmenfang aus sind und deshalb in neue Wählerkreise vordringen wollen.

Da das System auf einem Pan-Optikum (Michel Foucault) bestehend aus 'Macht- und Politzentralen' aufbaut, geht jegliche Verbindlichkeit nach 'unten' verloren. Darum entsteht auch sehr schnell die Tendenz zum 'Weitermachen', eben weil nicht mehr effektiv zugunsten einer ernstzunehmenden Alternative gearbeitet werden kann. Aus diesem Grund soll mit neuem ideologischen Kleister die alt-neuen Widersprüche zugedeckt werden, so als handele es sich um eine Gesellschaft in der ein jeder noch Zugang zur Gemeinsamkeit habe. Von diesem Recht sprach Bloch sehr häufig.

Im Umkreis solcher Tendenzen, sich der Herrschaft wenn auch widerwillig anzupassen, wächst je nachdem es nicht gelingt die Sklavensprache heran. Allzu oft schleichen sich dabei dumme und dreiste Sprüche in den Hohlraum – Sprache ohne Denken – wie 'Holzwürmer ein, und machen aus dem 'Fall' eine regelrechte Resignation. Das zeigte sich insbesondere im Scheitern der Studentenbewegung nach 1968. Eben weil die 'Theorie' vernachlässigt wurde, nahm zu eine 'irrationale' Bereitschaft zur Gewalt und lief nicht nur den Herrschaftsverhältnissen auf, sondern geriet in die Fallen der Staatsgewalt. Und jene die da nicht mehr angesichts der Zunahme an extrem ausufernden Sprüchen mitmachen wollten, sie urteilten schlichtweg da gibt es nichts mehr zu holen, um etwas für die Zukunft zu haben. Das dann leitete die Rückkehr zum bürgerlichen Besitzdenken ein.

Solch ein Verhalten unterscheidet sich deutlich von einem echten Dieb. Statt zu resignieren, sieht er schnell ein wenn da nichts zu holen ist. Er wartet dann praktisch gesehen einfach bessere Zeiten ab und holt sich dann die Beute. Doch was geschieht mit jenen die aus lauter Ungeduld schnell verzweifeln. Nun, sie reihen sich alsbald in die bürgerlichen Ränge ein und verhalten sich auch dann noch still wenn eklate Widersprüche zur sittlichen Vorstellung auftreten? Sie verlangen nur im Chor ein jeder müsse sich anpassen, d.h. jetzt mehr Opfer als zuvor bringen, wobei dabei nur die anderen, also die da 'unten' in Wirklichkeit gemeint sind. Und diese schinden sich dabei derartig ab, dass deren Ressentiment gegen die angeblich 'Freien', sprich besser als sie gestellten in der Gesellschaft, anwächst, und sogar mit der Zeit jede Art an Freiheit bedrohen weil sie in ihrer Praxis keinen freien Umgang mehr mit anderen Menschen zulassen wollen. Es wird da eng wo wenig zugelassen wird. Das erklärt dann wiederum die von 'unten' kommende Neigung Extrem-Rechte Tendenzen zu unterstützen.

Wenn einmal emanzipatorische Schritte unmöglich werden, und außerdem menschliche Maßstäbe über Bord geworfen wurden, dann entscheidet angeblich nur noch das 'Geld' bzw. die Macht. All das bewirkt einen starken Hang zum Zynismus: eine direkte Form der Resignation (Klaus Heinrich). Es wird dann unmöglich sein Differenzen zwischen Theorie und Praxis zu berücksichtigen, eben weil vieles egal geworden ist – der Nachschub einer Negation theoretischer Reflexionen. Es kommt zur bloßen Behauptung einer 'Ausschließlichkeit' mit der höchstens eine vorgespielte 'Einzigartigkeit' von Herrschaft vorgespielt wird. Hinzu kommt dann die allgemeine Gefühlslage: 'Wir sind wieder wer' war ja ein allgemeines Streben nach dem Krieg, aber nach solch einer vorgespielte Herrschaft in der Nachkriegszeit klammert sich umso ein jeder immer mehr an fiktiven Größen, je näher sie ihrem eigenen Untergang kommen. Was übrig bleibt nach der ersten Phase genannt nicht nur Wiederaufbau sondern auch ein Wirtschaftswunder ist dass ein jeder sich in neuen finanziellen Gebären übt, Eigentumswohnungen kauft und sich regelrecht von den restlichen Mietern nicht nur unterscheidet, sondern dünkt Teil der besseren Gesellschaft zu sein. Macht und Besitz im Privaten macht oftmals das Nachbarschaftsverhältnis ziemlich kaputt oder im besten Falle erträglich, insofern man sich nur gegenseitig aus dem Wege geht. Doch worauf es ankommt, ist durchs Vorzeigen an Eigentum, das Auto mitein beogen, eine angebliche 'Potenz' vorzuweisen. Es fördert zugleich eine Tendenz die alles ideologisch vereinfachen will. Jedes theoretische Gespräch wird abgelehnt weil viel zu kompliziert. So kommt es dazu dass die vielfach ungelösten Probleme mittels des einfachen Behauptens, diese Art zu wirtschaften sei das einzig artige Erfolgsmodel, verdrängt werden. Wer darin erinnern will, der wird nicht nur verneint sondern erneut angemahnt im Exil zu verschwinden. Niemand soll das Feiern stören.

Ungesehen steht dann der neue Sklave voll und ganz im Schatten des nun ruhmreichen Herrn der den Erfolg ganz und gar für sich beansprucht, also nicht teilt. Erfolge sind für den Herrn insofern von Bedeutung weil er damit sein Leben ausstatten kann. Das ließe sich leicht anhand von alt-neuen Wohneinrichtungen reflektieren und was alles an Unterhaltung angeboten wird, um über die alltägliche Trostlosigkeit hinweg zu täuschen. Noch mehr passt dazu eine unheimliche Kontinuität von der Propaganda in der Nazi-Zeit zur Art und Weise Nachrichten durch Medien die sich immer mehr an Fussball-ähnliche Ereignisse anpassen, um eher das Aufwallen an Emotionen anzuheizen als wirkliches Nachdenken evozieren zu wollen. Dazu passt die Leugnung, es würde noch im modernen Leben die Sklaverei geben! Um so mehr halten sich die Arbeitnehmer an die von der Herrschaft diktierten 'Leistungs- und Produktivitätskategorien' die von noch ganz anders strukturierten Erfolgskriterien abgeleitet werden. Es kommt zum einfachen Trugschluss, 'wer das Geld hat, der hat auch das Sagen'. Der bestimmende Faktor zwingt jeden Fragenden zum Schweigen. So entstehen immer mehr objektive Strukturen, raffiniert in ihrem Design, die Maßstäbe zum Vorteil der Herrschaft für den weiteren Ausbau des Systemes vorbereiten. Das Gegenüber muss auch noch nicht immer ein Sklave sein; er wird es allerdings wenn, wenn er nicht voll und ganz sein Leben bereitwillig diesen Maßstäben unterstellt, und darum sich bereit zeigt eigenes fürs bessere Leben ganz allgemein gesehen und verstanden, zu opfern.

Statt also der Entwicklung hin zu einem neuen 'Sklavendasein' zu widersprechen, üben sich viele in der Imitation ihrer Herrn und verketten ebenfalls die ihn nahestehende an diese moderne Knechtschaft. Es ist bekannt, dass die substanzielle Verbindung der Menschen zueinander nicht für den wichtigen Widerspruch ausreicht, weil sie ständig ausgehöhlt wird. Um so mehr sind gerade diejenigen Menschen höchst gefährdet wenn einmal ohne substanzieller Unterstützung. Bloch sprach hier von einer 'geordneten Anerkennung', die u.a. Nietzsche verwehrt blieb, aber ebenso wäre es illusionär zu meinen der einzelne schaffe es alleine. Sodann sind manche von ihnen gezwungen zu stehlen, um zu überleben. Geraten sie dadurch in die Fänge des Staates, landen sie allzu schnell im Gefängnis. Darum ist die Alternative die denjenigen vorschwebt die aus der radikal linken Bewegung ausgebrochen nur ein schwacher Trost für diejenigen die sich in demütigenden Abhängigkeitsverhältnisse befinden, oder noch schlimmer einer permanenten Arbeitslosigkeit ausgesetzt sind.

Gleichzeitig macht sich breit ein Misstrauen gegen jeglichen Versuch einer Emanzipation vom System, so dann verleitet die Abkehr von diesem alternativen Wahrheitsanspruch nur zur Verstärkung und dem weiteren Ausbau des Sicherheits- und Kontrollsystemes. 25 Dadurch verdeutlichen sich im Streben nach 'oben' eine Abhängigkeit des eigenen Überlebens vom weiteren Aufrechterhalten bestehender Machtverhältnisse, und merken obendrein dabei nicht einmal die Absurdität solch eines Werdegangs. Es zeigt aber die Wirksamkeit der Herrschaftsideologie. Die ergibt sich aus dem Anspruch frei von der Moral ihre Entscheidungen realisieren zu können. Während also auf der einen Seite der Gewaltverzicht die Voraussetzung zur politischen Teilnahme am Machtspiel ist, und dies laut Parteiengesetz zu einer gewissen Gehorsamkeit gegenüber den Staat zwingt, was gleichbedeutend mit dem Aufgeben eigener politischer Identität ist, müssen alle Teilnehmer die 'Durchsetzungsgewalt' des Staates beherzigen. Kein Wunder wenn bei solch einem Machtmonopol die Herrschaft es stets verstanden hat diesen Kern des Gewaltverzichtes ins allgemeine Bewusstsein zu transportieren, während erst aus dem Staat selber die Gewalt entsteht. Dadurch bleibt die 'Mehrheit' jederzeit eingeschüchtert, zugleich im negativen Sinne der Sklavensprache, loyal gegenüber dem Staat, und wenn nicht das, dann zumindest 'passiv'.

Setzt sich die Sklavensprache fort, dann deshalb weil keine politischen Funken zugunsten einer von unten kommenden Revolte von Generation zu Generation überspringt. Bloch verweist immer wieder auf das Beispiel von Thomas Münzer. Allgemein wird das als Folge der 'deutschen Ideologie' gesehen, eine Ideologie die Heinrich Heine im Exil sehr genau, zugleich aber ironisch beschrieben hat. Es handelt sich dabei um eine fatale Denkweise die sich in tradierbaren Formen festsetzt und anscheinend imstande ist jedem die Möglichkeit zu nehmen – Poeten würden das als atemberaubendes Tempo einer Anpassung bezeichnen – etwas konkretes für die Freiheit zu tun. Bereits Rosa Luxemburg fasste das als Dilemma einer an zwei Enden brennenden Kerze auf.

Artikulationsprobleme im Sklavendasein

All das muss berücksichtigt werden, wenn 'Artikulationsprobleme' in Verbindung mit dem 'Sklavendasein' in Verbindung gebracht werden. 26 Ähnlich zu einer Frau, die ständig von ihrem Mann bedroht bzw. geschlagen wird, und trotzdem nichts sagt, besteht die 'Sklavenmentalität' aus einem kümmerlichen Schweigen gegenüber der 'sichtbaren' und vor allem 'unsichtbaren' bzw. angedrohte Gewalt. 27 Die Herrschaft droht sie an, falls der Sklave entgegen Interessen des Eigentums und persönlichen Schutzes des Herrn handelt, und zugleich öffentliche Aufmerksamkeit auf diese ungerechte Behandlung lenken will. Oft genug nimmt der Sklave diese Androhung einer Gewalt vorweg und verinnerlicht sie als 'Selbstzensur'. Diese Furcht spielt beim Überlegen was der Sklave tun kann, um sich zu befreien, eine enorm wichtige Rolle, da er die mögliche Vernichtung eigener Existenzgrundlagen bzw. den Arbeitsverlust bedenken muss. Das setzt sich in der modernen Arbeitswelt fort und erklärt weshalb jene mit Arbeit so wenig menschliche Solidarität mit jenen die bereits arbeitslos sind, zeigen. Da Arbeit als entscheidende Bindeglied zur Gesellschaft gilt, wird vieles unterdrückt, um ja nicht das zu gefährden.

Selbst Journalisten praktizieren das, indem sie mittels der berühmten 'Schere im Kopfe' kritische Stellungsnahmen vermeiden, so dann sie es verlernen die Dinge direkt beim Namen zu nennen. Statt also die Arbeitsentlassungen anzuprangern, wird ganz einfach von 'Personalanpassung' gesprochen – ein gutes Beispiel für solche Wortverdrehungen, die es aber zum Ziel haben politische Reaktion auf den Vorgang solange hinaus zu zögern, bis die Fakten geschaffen sind und alles so erscheint als könne nichts mehr daran geändert werden.

Folglich sind die bereits geängstigten Massen durch beliebig viele Mittel, von unsichtbarer Gewaltandrohung bis hin zur Arbeitsentlassungen die juristisch unter Umständen erzwingbar sind, leicht einzuschüchtern. Aus Angst vor allem von finanziellen aber auch anderen Folgen geben sie sehr schnell 'klein' bei. Sie verlieren darüber hinaus eine potentielle Selbstbestimmung, die in der offiziellen Sprache zur Regelung industrieller Verhältnisse Mitbestimmung genannt wird, und trotzdem keine wirkliche Gestaltungsfreiheit der Arbeitsverhältnisse darstellt.

Als Ersatz für die Gehorsamkeit entsteht die Bejahung und Faszination für 'Gewaltanwendungen' jeglicher Art, und setzt sich fort besonders in der Form des Militärs. Einstein beobachtete das bereits vor dem Ersten Weltkrieg als er in München erlebte wie es alle an den Straßenrand drängte, um bei der Militärparade 'dabei' zu sein. So dass die Kinder die Soldaten besser sehen konnten, hoben die Eltern sie auf ihre Schultern. Einstein stellte dabei fest, 'Menschen ohne Gefühle, denen ist nicht zu helfen.' Wenn es aber zu keiner Abhilfe kommt, dann bleibt ebenso die Liebe zu den Menschen aus. Auch das durchzieht die deutsche Ideologie: die Verneinung des einfachen Menschen weil Teil jener Masse die anscheinend keine Eigenverantwortung übernehmen will, und darum., so Heidegger, einen Führer brauche der für sie alles riskiere. 28

Schlußfolgerung - Im Fluss der Dinge

Womöglich bewirkt das helle Wissen um einen möglichen Untergang die Faszination für Macht und der mit ihr einhergehenden Gewalt. So kann gefragt werden wie kommt es immer zum Krieg, denn die Voraussetzung dafür ist das Einüben in jene Sklavensprache, die vom einzelnen verlangt, er habe dem Staat zu dienen. Diese Frage stellt sich Einstein einst, als er sah wie die Menschen an einem schönen Sonntag in die Straßen von München strömten, um das Vorbeimaschieren von Soldaten zu bewundern? Einstein gab damals zu verstehen dass Menschen die ihre Gefühl verloren haben, denen ist nicht zu helfen. Gleichfalls antwortete Freud ihm auf seine Frage hin, ob die Psychoanalyse eine Antwort auf die menschliche Aggressivität habe, dass sie keine habe. So etwas kann alles nur noch tiefer in die Resignation hinein treiben. Besser wäre es also im Fluss der Dinge doch noch kleine, zugleich positive Veränderungen ausfindig zu machen, um sie dann zu unterstützen, so dass es mit der Menschheit lebendig, zugleich Gewalt-frei weiter geht. Doch der problematische Zusammenhang zwischen Sklavensprache und Einübung in die Gewalt wurde noch nicht ausreichend thematisiert.

Angesichts dem Aufmarsch an Soldaten mit tödlichen Waffen wird alles zur Bedrohung eines friedlichen Zusammenlebens, sobald Gewalt und ihre Anwendung zum festen Bestandteil der Gesellschaftsformation wird. Es wurde auf das was bereits dem Ersten Weltkrieg voraus ging verwiesen, und was dann noch mehr im Zweiten Weltkrieg als trostloses Schicksal erlebt wurde. Wie ist all das aber mit den Entwicklungen seit 1945 zu vereinbaren? Dazu gehört die Wiederbewaffnung trotz dem Versprechen 'Nie wieder solle Krieg vom deutschen Boden ausgehen!'? Erlebbar wurde nach 1945 wie das Versprechen immer mehr systematisch verdrängt wurde. Es kommt dann zum traurigen Zustand in dem mehr gelogen als wahrhaftig und vor allem aufrichtig, also treu zu sich selber, gesprochen wird. Stattdessen wird nur noch die Sklavensprache verwendet.

Die Sklavensprache besagt, sind einmal Menschen außerstande dieses Versprechen einzuhalten, wird die Frage, was bedarf es um die Bedingungen zum Frieden aufrecht erhalten zu können, kaum noch klar und vor allem eindeutig zu beantworten sein. Das Brechen bewirkt eine besondere Diskontinuität und verleitet die Ientitätsfindung auf Abwege. So kommt es dazu das alle allmählich, aber dann immer mehr sich gegenseitig in das gleiche Schicksal hinein treiben. Rationalisiert wird all das mit einer Anpassung an die Lüge (Martin Jay). Das wird solange betrieben bis die alten Herrschaftsverhältnisse wieder hergestellt sind, und das in aller Gleichgültigkeit was aus der Geschichte hätte gelernt werden sollen. Dazu passt ein Gedicht von Gerhard Zwerenz.

Germane – vor die Front

Zwei Kriege führte ich. Und verlor

sie. Blutsäufer nannten die Sieger

mich. Voller Hohn. Mein Blut

gurgelnd. Euer Stolz

 

Ist meiner Dummheit geschuldet,

dachte ich. Krieg zu führen

bedarf der Legitimation. Das

lernte ich, schwer aber

 

Begierig. Nun rufen sie nach

mir. Ich lasse mich bitten.

Zeit habe ich. Und Waffen genug.

Ich werde gebraucht. Wer

 

Wagt noch zu behaupten, ich

Hätte jemals hier oder dort

Unrecht getan, einen Krieg

Begonnen oder verloren.

Sobald der Widerstand dagegen ausbleibt, ist zu erwarten, dass dieses 'Sklavendasein' sich bis nach 'oben' hin allmählich durchfrisst. Verloren geht dabei nicht nur eine wahrhafte Aussprache, getragen von der menschlichen Stimme, sondern auch die wirkliche 'Souveränität', weil in den Erzählungen der Charakter nicht mehr mit dem Stoff übereinstimmt. Traudel Beichler stellte traurigerweise damals in Heidelberg 1972 fest, es kommt so weit, dass 'nur dann der Wetterhahn auf dem Kirchenturm Charakter hat, wenn kein Wind bläßt'. Faktisch besagt das die Menschen verhalten sich leider nur noch opportunistisch, insofern sie sich nach jeder neuen Windrichtung drehen und darum es riskieren ihren wahren Charakter mit der Zeit zu verlieren.

Als des Staat der Bundesrepublik sich anschickte die Wiederbewaffnung voranzutreiben, musste jeder, einschließlich die aufstrebene Partei der Alternativen oder die Grünen, sich freiwillig in eine neu definierte Gehorsamkeit gegenüber dem Staat einüben. Das wurde explizit mit der Forderung auf Gewaltverzicht. Es bedeutete gleichzeitig die Staatsgewalt ohne Widerspruch und ohne Widerrede akzeptieren zu müssen. In Wirklichkeit verdichteten sich dadurch soziale und wirtschaftliche Zusammenhänge die den Staat tragen, und darum erneut ein ziemlich perfekt abgedichtetes Machtsystem schmiedeten. Jenes Sytem ist imstande jederzeit Anzeichen an Spontaneität zugunsten der Ordnung im Keim zu ersticken (eine Forderung des Soziologen und System-Theoretiker Niklos Luhmann) d.h. jegliche Unruhe und vor allem von 'unten' kommende Aufstände zu unterdrücken. 29

Hatto Fischer

Berlin 1985

(hochgeladen am 24.6.2014 - neue Fassung 8.10.2014)

 

1E. Bloch, Atheismus im Christentum, F.a.M. 1973, s. 16

2 op. cit., s. 16

3 Inwiefern Bloch hier von Herrman Broch beeinflusst worden ist, kann nicht als erwiesen behauptet werden. Boch schlug eine politische Pychologie vor als er im Exil, in New York, verweilte, und wie viele anderen auch eben über die tieferen Gründe für den Faschismus insbesondere in Deutschland nachdachte.

4 Bloch mag hier an Nietzsche gedacht haben.

5 Ernst Bloch (1970) „Zerstörte Sprache – zerstörte Kultur“ (ein in 1939 gehaltener Vortrag beim Schutzverband deutscher Schriftsteller), in: Politische Messungen, Pestzeit, Vormärz. F.a.M., s. 277 - 299

6 Für die Philosophie ist Freiheit gleich bedeutend mit Durchgängigkeit, und eben das was Kant anstrebte, als er sagte: „Ich denke, ich kann meine Vorstellung überall hin begleiten.“

7 op. cit., Bloch, Atheismus..., s. 16

8 Heidegger, Sein und Zeit, Freiburg 1957.

9 H. Broch (1958) Der Tod von Virgil, Zürich, s. 303

10 op.cit. E. Bloch, Atheismus..., s. 13

11 op.cit., s. 16

12 All das kann einen auch an die Ballade von Hagelstange, 'die Verschütteten', erinnern, insofern von den sechs Verschütteten nur einer überlebt. Vier sterben bereits im Bunker und als die zwei Überlebenden endlich ans Tageslicht gebracht werden, ergeht es dem einen ähnlich zu Bergbauarbeitern wenn sie zulange unter der Erde waren und nicht mehr die plötzliche Lichtüberflutung verkraften. Ähnlich verhält es sich mit Menschen wenn sie nach Jahren Unfreiheit sich plötzlich der Freiheit ausgesetzt sehen. Sie sehnen sich nach der Zeit im Gefängnis weil da doch irgendwie sicherer.

13 Das ist weit mehr als Hegels Spruch vom 'Bekannten als das noch nicht Erkannte weil bekannt'

14 Sartre meinte hier, sobald die Zeit geteilt wird, kann nicht in der Gegenwart die Erfahrung einer Ich-Begegnung in der Realität gemacht werden.

15 op. cit., Bloch, Atheismus...s, 16

16 op. cit., s. 16 - 17

17 Der deutsche Vater einer finnischen Freundin wurde wie ihre drei Brüder dahin erzogen, sie habe nie zu weinen, also offen ihre Gefühle zu zeigen. Das Maskieren wird von Anfang an dem Kind eingetrichtert, um keinen Aufstand gegen den Vater zu wagen.

18 Peter Weiss, in 'Ästhetik des Widerstands' beschreibt wie immer mehr die Befehlssprache alle zum Schweigen bringt.

19 Ernst Bloch betonte immer wieder die Hierarchie sei das bislang ungelöste, zugleich größte Problem der Philosophie geblieben.

20 op. cit., s. 7

21 Adorno nannte das 'die Erziehung hin zur Unmündigkeit'

22 Michel Foucault meinte in 'Wahnsinn und Gesellschaft': „wir müssen die Orte des Schweigens ausfindig machen, noch ehe der lyrische Protest sich darüber verdichtet“, und darum Poesie wie eine Fahne als Repräsentation einer emotionalen Disposition wahr genommen wird, dann bleibt die Anstrengung des Begriffs als Ich-Findung aus.

23 Paul Tillich (1948) Die sozialistische Entscheidung, Offenbach

24 Das Streben nach oben nennt Franz Jung in Torpedo-Käfer einen Weg nach unten, und fügt dem noch hinzu, wenn man jemanden töten will, dann delegiere man ihn nur nach oben. Einmal von dieser Aufstiegsmentalität erfasst, kann das Abgeschnitten-Sein von ehemaligen Freunden und Kollegen sich fatal für die Ich-Findung auswirken.

25 Otto Schily ist hierfür das beste Beispiel für diese Abkehr von ehemaligen Ansprüchen.

26 Hatto Fischer. Artikulationsprobleme der Arbeitenden und die Tradition des DGB. Berlin: Quorum Verlag. Als Dissertation eingereicht in 1985 und in !987 bei Quorum veröffentlicht.

27 Thomas Mann beschreibt in 'Buddenbrooks' wie die Kutscher in ihrer kurzen Revolte gegen die Herrschaft von denen nach Hause geschickt wurden nachdem sie sich eher der Lächerlichkeit preis gaben, als einen schlauen Streich der Herrschaft zu spielen. Allein diese Angst einer Preisgabe der Lächerlichkeit kann bereits jeden Widerstand zum Erliegen bringen. Die Einschüchterung ist eine Methode die die Herrschaft über die Jahrhunderte hinweg perfektioniert hat.

28 Heidegger, (1929) Sein und Zeit. Freiburg

29...die Befehlshaber der deutschen Armee sind im Augenblick die besten Techniker des Kriegshandwerkes und können demzufolge sogar den Krieg gewinnen. Ganz andere Qualifikationen sind jedoch nötig, um einen Diktator zu stürzen. Vor allem erfordert dies Charakter, über den keiner von ihnen verfügt.“ Auszüge aus 'Gespräche über die deutsche Generalität', 1940, Jerzy Stempowski, „Essay für Kassandra“ in Kultura, Paris, 1984, s. 96 - 97

^ Top

« Einleitung: Ein roter Schimmer am Horizont | Gerhard Zwerenz zu Blochs Sklavensprache »