Ποιειν Και Πραττειν - create and do

Klärung von Sprache und Schweigen

Ausgangspunkt müsste außer George Steiners Buch 'Sprache und Schweigen' und Adornos kritischer Hinweis auf eine stattfindende Erziehung hin zur Unmündigkeit, die persönliche Suche nach der menschlichen Stimme sein. Solange klar bleibt politische Entwicklungen sind nicht unwidersprochen hinzunehmen, werden menschlichen Belange nicht ganz in Vergessenheit geraten. Dennoch scheint hier die Ausnahme die Regel zu sein.

Widerstand aus dem Schweigen heraus setzt die Menschen imstande ihre Stimme jederzeit zu erheben, und das als deutlicher Widerspruch zu was ansonsten behauptet und zugleich gerechtfertigt wird. Es kommt dabei auf besondere Zusammenhänge an. So werden die Bedeutungen der Begriffe nur dann von der menschlichen Stimme getragen, wenn übereinstimmend mit der Lehre der Proportionen (Vincent Van Gogh), um die Verhältnismäßigkeit zu bewahren. Es gibt natürlich auch die Übertreibung, die Vincent Van Gogh als eine hohe Kunst bezeichnete. Oft wird sie verwendet, um die ganze Aufmerksamkeit auf etwas bestimmtes zu lenken z.B. wenn sogenannte 'detention centres' oder Flüchtlingslager als KZ bezeichnet werden. Gleichfalls gibt es das Gegenteil zur Übertreibung: die notwendige Zurückhaltung. Sie wird eingenommen, um die Aussage in eine richtige Perspektive zu rücken. Das dies einer anderen Logik von Wahrnehmung, Bezeichnung und politischer Beurteilung entspricht, deutet daraufhin wie sehr die Sichtweise bestimmend ist. Im Falle eines Unfalls, was gesehen und dann darüber berichtet wird, ist keinesfalls selbstverständlich. Adorno geht aber hier einen Schritt weiter, indem er keinem außer dem imaginären Zeugen die Wahrheit von was geschehen ist, anvertrauen würde. Allerdings käme es beim Weitererzählen darauf an, dass neben keiner falschen Übertreibung bzw. Entstellung die Dimension der Versöhnung nicht fehlt, um so das Wiederholen der selben Fehler vermeidbar zu machen.

Gerade Mangels an Widerstand in der Zeit des Nationalsozialisten hielt Bloch es für um so wichtiger die kleinsten Anzeichen von Widerstand ausfindig zu machen, und dies in der Hoffnung auf einen aufrechten Gang, so dass alle weiter kommen. (ein gutes Beispiel dafür ist zu finden in: Frauen zum Fürchten von Ingrid Zwerenz). Schließlich ist es stets eine ermutigende Erfahrung wenn Menschen durchs gegenseitige Erzählen guter Geschichten sich Mut geben und gemeinsam gegen die Entfremdung sich stemmen. Ansonsten liefen sie der Gefahr statt dem Machtmissbrauch zu widersprechen, der allgemeinen Tendenz bis hin zur Selbstverneinung sich anzuschließen. Im letzteren Falle würde es kein Entkommen aus dem Schweigen geben, selbst dann nicht, wenn Philosophen es raten den Müllhausens Trick zu versuchen. Jener schaffte es sich selber beim Schopfe packend aus dem Sumpf zu ziehen. Solch eine Selbstbefreiung müsste aber bereits beim Selbstbetrug anfangen. Ehrlich sich selber gegenüber zu sein ist zwar schwierig, doch sollte keiner auch dann aufgeben, wenn erstmals nur ein Stottern zustande käme. Foucault meinte dazu, das käme ofters viel näher der Wahrheit als irgend eine geschliffene Rede.

Eine lebendige Kultur setzt voraus die Menschen sind selber imstande mittels Sprache sich zu verständigen. Allerdings soll das, so die häufigst erhobene Maxime, keine allzu große Anstrengung benötigen. Das ist aber eine erhebliche Einschränkung, wie sich alsbald herausstellen wird. Denn der Regel nach verleitet solch eine Absicht allzu viele Anstrengungen vermeiden zu wollen in die Leere. Der Grund dürfte die Trivialisierung der Bedeutung von Sprache sein, weil dadurch schlechte Sprachgewohnheiten entstehen. Zumal die nur sehr schwer zu verändern sind, kommen noch weitere Sprach- und Artikulationsprobleme hinzu. Vor allem sind die Menschen einmal schlechten Sprachgewohnheiten verhaftet, kommt es nicht einmal zur Hegels 'Aufhebung' bzw. Bewahrung von Erinnerungen. Doch ohne Gedächtnis fehlt das entscheidende Bewusstsein für Zusammenhänge, die nicht in der Gegenwart unmittelbar einsehbar sind, und dennoch existieren.

Außerdem steht solch ein reduzierter Sprachduktus quer zu jeglicher Lehre der Kategorien (Aristoteles). Während die auf eine Verbindung von Logik, Grammatik und Teleologie achtet, um zu wissen wann Wünsche mittels des Imaginären in der Sprache als Zielsetzungen fassbar sind, machen falsche Sprachgewohnheiten ein offenes Zugehen auf menschliche Realität zunichte. Wie aber soll Sprache lebendig erlebbar und gestaltbar sein, wenn nicht durch den Zufuhr menschlicher Vielfalt? Und erst eine bewusste Sprache kann im Sinne des Wunsches nach einem wahren Leben aufzeigen was davon erfüllbar ist bzw. auf den Weg in diese Richtung deuten. Die Vielfalt an Kategorien ist zugleich ein Maßstab ab wann das Sprechen über bloße Gewohnheiten hinaus geht und darum in Freiheit Erkenntnisse zu formulieren versteht. Das heisst, die Suche nach Wahrheit lässt eine über die Grammatik hinausgehende Gesetzmäßigkeit erkennen. So wissen Dichter sofort wenn ein Gedicht stimmig ist, oder wenn der letzte Satz eines Romans an die Melodien im ersten Satz erinnert. Herrman Broch vermochte das mit seiner Abhandlung vom 'Tod von Vergil'. Er hat daraus einer Sinfonie ähnliches Kunstwerk gemacht.

Somit ist auf das Melodische, und darum wiederum auf die menschliche Stimme zu achten, weil sie laut Adorno die Schönheit im Inneren der so sprechenden Person verdeutlichen kann. Der Ton ist eben was das feinsinnige Gehör erinnern lässt. Für Kant ist das die differenzierste Erinnungsspur. Somit unterscheidet sich die orale Erzählung von einer schriftlichen Vermittlung, obwohl im letzteren ebenso das Klangbild eine entscheidende Rolle spielt in was im Gedächtnis bleibt, und somit das Arbeiten mit Erinnerungen ermöglicht.

Schlechte Sprachgewohnheiten verhindern nicht nur das Hören auf Klangfarben, sondern verbauen ebenso Einsichten in die Vernunft. Sie vereiteln, dass bewusst  mittels des Imaginären Bezug auf Zielsetzungen genommen wird, um das Verhältnis Mittel-Zweck reflektierbar zu machen. Eine weitere Einschränkung besteht da Worte nicht alleine, nur für sich, sondern erst im ganzen Satz verstehbar sind (Tugendhat). Dagegen gilt nur die reine Wortdefinition wenn einmal falsche Gewohnheiten angenommen sind und deshalb alle in ihren Verständigungsvorgängen wie im täglichen Stau stecken bleiben verhaaren. So was artet stets in einen Streit um Selbstdefinitionen aus, doch trägt das nur zu einem Schein- bzw. Pseudo-Wissen bei. Zugleich verhindert es das Zuhören und deshalb wird niemals ernsthaft begriffen was der andere zu sagen versucht. Im Laufe der Zeit konstituiert sich aus all dem eine Nicht-Sprache als Ersatz fürs aktive Schweigen. Einmal in solch einer Scheinsprache verfangen, werden absurde Ansprüche auf solch Kenntnisse der Realität laut die eher imstande sind Mißverständnisse zu fördern als den Grund für den Streit zu klären.

Die Gefahr durch Mißverständnisse irrtümlich falsche Schlüsse zu ziehen, besteht dann wenn es nur ein Mißverhältnis zwischen Sprache und Schweigen gibt bzw. das Schweigen des anderen falsch gedeutet wird z.B. als ein Nicht Reden Wollen. Die Gefahr besteht um so mehr wenn das Wort einem Begriff gleichgesetzt und die Realität durch den Begriff ersetzt wird. Schließlich machen solche Selbstdefinitionen die menschliche Sprache völlig unauffindbar. Erst mittels einer Dialektik von Sprache und Erfahrung kommt das undefinierbare Etwas, das Schweigen inbegriffen, zum Vorschein. Darauf soll noch zu kommen sein wie das zu klären ist, aber hier sei zunächst gesagt beim fordernden Etwas handelt es sich um eine zu vermittelnde Verbindung zwischen Sein und Seiendem, dem Subjekt und der Handlung.

Shakespeare in seinem Hamlet Stück stellte die Frage, ob die Handlung der Sprache, oder die Sprache der Handlung anzupassen sei? Praktisch bedarf der Mensch beides, vorausgesetzt er bewahrt eine Unabhängigkeit in seiner Reflexion von was er tut und denkt. Bleiben aber die Menschen aus Gewohnheit in solch einem negativen Sprachduktus, der die gegenseitige Reflexion von was gewollt and getan wird stark einschränkt wenn nicht sogar unmöglich macht, befangen, tun sie sich schwer eine sinnvolle Verständigung aufrecht zu erhalten. Sie sind dann auf andere, also auf die sogenannten Vermittler bzw. Autoritäten angewiesen, was aber zugleich die Krise vertiefen wird weil sie nur dadurch lernen den jeweils anderen zu negieren.

Wegen der hierarchischen Anordnung sozialer Verhältnisse kommen sehr selten menschliche Inhalte zum Tragen, obwohl der These einer völligen Entfremdung der Menschen etwas dagegen zu setzen ist. Van Gogh ging im Unterschied zu Marx nicht so weit in seiner Negation des einfachen Menschen als ob sie völlig entfremdet seien. Als Van Gogh die Stadtbewohnern in London aufsuchte, entdeckte er, dass sie immer noch in sich die guten, alten Geschichten in ihren Herzen bewahren. Und solange noch solche Geschichte erzählt werden, wird es Widerstand gegen die Entfremdung geben.

Menschliches Selbstbewusstsein

Karl Marx sah allerdings eine ökonomische Beschränkung des Bewusstseins als Grund für diese Entfremdung. Ähnlich zu Kant der den Begriff eines 'affezierbaren Bewusstseins' entwickelte, in der Vermutung dadurch sei das Bewusstsein auf ganz bestimmte Gesetzmäßigkeiten ansprechbar, wollte Marx das Bewusstsein 'politisch' ansprechen, so dass diejenigen die am meisten unter den ökonomischen Verhältnissen zu leiden haben, sich davon befreien würden. Während bei Hegel dies auf eine Aufhebung des Staates hinauslief, wollte Marx dass die Arbeiter sich aus den Widersprüchen des Systems lösen und damit auch alle anderen befreien. (Diese Gedanke setzt Tutu von Südafrika fort, indem er Nelson Mandelas Gedanke wiederholt indem er sagt die Palästiner können sich nur dann befreien wenn sie gleichzeitig die Israelis aus ihrer Befangenheit befreien.) Konsequenter Weise würde das auf ein Infrage stellen des ganzen Systems hinauslaufen, etwas was nur mittels einer Revolution zu bewerkstelligen ist. Dieser utopische Entwurf scheiterte allerdings nicht nur am problematischen Inbegriff eines Klassenbewusstseins. Vielmehr traten noch ganz andere Widersprüche zu Tage, so dann regierte nicht die Köchin, sondern die Angst in die Gulags verbannt zu werden.

Da es sich beim Begriff 'Klassenbewusstsein' möglicherweise um eine konstruierte Tautologie handelt, insofern das Gesetz ein bestimmtes Bewusstsein voraussetzt und umgekehrt das Bewusstsein ein bestimmtes Gesetz verlangt, geht darin die Ansprechbarkeit verloren. Fast mechanisch wurde diese Tautologie im Marxismus-Leninismus fortgesetzt, insbesondere mittels der häufig benutzten Formel vom materiellen Bewusstsein bzw. einem Bewusstsein welches vom materiellen Existieren im Wirtschaftssystem bestimmt wird. Der Fehler liegt im angeblichen Verweis auf Marx der aber ein Bewusstsein beschreibt das auf bestimmte Interessen ansprechbar ist wenn zugleich die menschliche Sprache aus dem Schweigen hervorkommt. Leider wurde die einseitige Interpretation vom 'Klassenbewusstsein' zum Verhängnis weil alle ausschließlich auf die eigene Klasse bezogen sollen, und alles andere auf Verrat hinausliefe. Daraus entstand eine politische Richtung die nicht mehr an andere Menschen interessiert war, und zwar unabhängig von der Klassenzugehörigkeit. Kein Wunder also dass es zu solch scharfen Verurteilungen und politischen Abgrenzung kam bis die gesamte Bewegung der Gefahr lief die menschliche Dimension völlig außer Acht zu lassen. Doch das nimmt nur vorweg was leider aus der Marx'schen Lehre gemacht wurde.

Marx selber verstand die Voraussetzung für eine menschliche Sprache als ein Imstande-sein Kategorien der Produktivität und Kreativität zusammen zu bringen. Erst dadurch käme eine menschliche Verbindlichkeit zustande. Ganz anders das Bewusstsein desjenigen der nur als Sklave angesprochen wird. Solch eine den Menschen erniedrigende Betrachtungs- und Behandlungsweise, einschließlich die negative Beschimpfung mit Peitsche, schließt aus jegliches positive Selbstbewusstsein. Wie die Geschichte des Sklaven Douglass in den Vereinigten Staaten zeigt, um so stärker wirken Ängste vor der Freiheit die wiederum die soziale, zugleich negative Determination für immer Sklave zu sein, zementieren.

Genet gab aus diesem Grunde zu bedenken welch eine Rolle diese subtile Form einer sozialen Determination im Leben des einzelnen spielt, denn wenn immer nur als 'Dieb' angesprochen wie in seinem Fall, wird man früher oder später tatsächlich zum Dieb. Das Aufgeben etwas anderes zu sein enthält zugleich eine Trotzreaktion oder sogar Rache: wenn der mich schon so sieht, dann will ich es ihm aber mal zeigen! Nur dann wäre bei solch einem Aufgeben eine Befreiung von der sozialen Determination unmöglich. Genet kam als Dieb nicht in irgend ein Gefängnis, sondern in das berüchtigste in Frankreich. Es hatte nämlich solch hohe Mauern das ein Schauen in die Zukunft unmöglich war.

Keineswegs ist das Zusammenbringen der Kategorien von Produktivität und Kreativität eine Selbstverständlichkeit in der Geschichte des Abendlandes. Arbeit und Kunst, also Anstrengung und Lust wurden bereits zu Homers Zeiten vonander strikt getrennt. Adorno und Horkheimer erläutern das in 'Dialektik der Aufklärung' anhand der Geschichte von Odysseus. Als jener auf seinem Schiff an den Sirenen vorbei glitt, deren Gesang aber nicht folgen konnte weil an den Mast gebunden, ruderten seine Männer einfach weiter weil sie Wachs im Ohr hatten und darum weder Odysseus Befehl ihn loszubinden noch selber den Gesang der Sirenen hören konnten. Damit war bereits die Trennung von Lust und Arbeit besiegelt. So ist es weniger erstaunlich wenn hier der Arbeiter, dort der Künstler getrennte Wege gehen, aber es nicht zu einer für alle Menschen verbindliche Sprache kommt. Leider setzt sich diese Abtrennung der Lust in der Atlantischen Tradition fort, weil sie Kultur und Wirtschaft strikt auseinander hält (siehe Mediterranean Economic Thought and Atlantic Economics by Louis Baeck 1994.)

Interessanterweise wiederholte sich diese Trennung indem Marxisten für eine allzu lange Zeit nichts von Ästhetik und Kultur hören wollten, so als gehöre das zum bürgerlichen Denken und sei deswegen verwerflich. Sie negierten damit ganz einfach die Tatsache, dass die Menschen nicht in einer beliebigen Sprache ihre Erfahrungen und Idee mitteilen. Eher bedarf es das besondere Selbstbewusstsein das erst dann zustande kommt wenn mittels Kultur die Verständigung auf humaner Ebene geschieht bzw. die Ästhetik auf grundlegende Bedürfnisse reflektierte Antworten gibt und der Mensch in jeder Person direkt als auch indirekt angesprochen wird. Natürlich hängt das ab von den menschlichen Erfahrungen die jeder im Laufe seines Lebens macht. Gegeben den Unterschied zu Erlebnissen, besagt das zugleich noch andere Quellen der Erfahrungen außer des wissenschaftlichen Experiments sind ausfindig zu machen. So benennt Martin Jay in seiner Besprechung von Benjamins Begriff der Erfahrung den Roman als eine Quelle von Erfahrung. Zugleich muss dem hinzu gefügt werden der Roman muss nicht konform mit dem Kategoriensystem eines Georg Lukacs gehen noch in religiös-mysteriöse Beschreibungen aufgehen. Gemeint sind also nicht religiöse oder metaphysische Erfahrungen, sondern solche die keinen Abbruch mit sinnlichen Erlebnissen voraussetzen und dennoch als Erfahrung imstande Inbegriffe von Gesetzmäßigkeiten emphatisch zu betonen bzw. hervorzuheben. Für die Reflexion solcher aus der Kunst hervorgeholten Gesetzmäßigkeiten, die mit der Entfaltung des schöpferischen Potentials eines jeden Menschen einhergehen, wird eine rezeptive Kultur entscheidend sein. Da Kultur selber Inbegriffe von Theorie wiedergibt, insofern sie aufzeigt wie die Art und Weise zu leben, die Dinge zu sehen und zu verstehen, keine rein anthropologische noch ethnologische Determination ist, sondern eine aus dem Menschen heraus selbst geschaffene Auffassung wieder gibt, kann die Beschaffenheit des Lebens der Menschen eben nicht vom materiellen Sein alleine determiniert sein. Das Ausklammern von Kultur hat darum viele Marxisten in die Irre getrieben, wenngleich George Steiner die interessante Frage stellte, wie kam es dazu, dass der Faschismus keine, aber der Kommunismus große Kunstwerke hervorbrachte? Vermutlich liegt die entscheidende Differenz in einer Weltanschauung die im Sinne von Cassirer freundlich gestimmt ist, und den Glauben an den guten Menschen nicht aufgegeben hat. Stimme das, belegt das zugleich erst eine ethische Orientierung gibt der schöpferischen Kraft, die in jedem Menschen inne ruht, die Möglichkeit sie frei zu entfalten.

Zu dieser These zur Sprache von Marx gäbe es bestimmt noch mehr zu sagen, aber einstweilen sei daran zu erinnern, dass Marx eine besondere Befangenheit der Menschen betreffs ihrer Ansprechbarkeit sah. Er meinte, dass "die Menschen nur dann gewillt sind Probleme zu sehen, wenn es dafür entsprechende Lösungen gibt!" Mit anderen Worten, die meisten Menschen leben in tautologisch gebildeten Welten weil sie dann keine offene Problematisierung, also das Diskutieren von Probleme wofür noch keine Lösungen in Sicht sind, zulassen.

Das Problem das Problem zu definieren

Praktisch bedeutet das Einengen der Anerkennung von Problemen auf jene für die Lösungen bestehen eine ideologische Verschränkung von Wahrheit und Opportunität. Ganz anders ist solch eine Anerkennung disponiert wenn Probleme besprechbar sind selbst wenn noch keine Lösungen dafür vorhanden sind. Abgesehen von der wichtigen Unterscheidung von Scheinproblemen würde solch eine Anerkennung es legitimieren, dass Menschen sich mit einer Suche nach einer Lösung für diese Probleme überhaupt beschäftigen. Zu oft wird aber diese Suche frühzeitig eingestellt weil als blöder Unsinn einfach abgetan. Doch zwischen Unsinn und echter Anstrengung besteht ein großer Unterschied, selbst dann wenn zunächst alles aussichtslos erscheint. Vor allem zeigt sich immer wieder dass eine echte Bemühung langfristig doch einen großen Unterschied ausmacht. Ferner ist es keine Selbstverständlichkeit mit welchen Problemen eine Gesellschaft sich beschäftigt und auseinandersetzt.

Ein Mangel an Verständigung lässt sich demnach anhand der Einschränkung der Tagesordnung auf nur anerkannte Probleme erklären. Jene Reduktion oder starke Einschränkung aufs 'Bekannte, weil bereits Anerkannte' (Hegel) birgt in sich die Gefahr, dass die vielen ungelösten Probleme sich zwangsläufig reproduzieren, wenn nicht sogar größer mit der Zeit werden falls keine Lösungen dazu rechtzeitig gefunden werden.

In der Tagesordnung verdeutlicht sich die Werthaltung die eine bestimmte Gesellschaft eingenommen hat, und zwar aus Gründen verschiedener Dispositionen z.B. den Privatinteressen größere Aufmerksamkeit zuteil werden lassen als dem öffentlichen Gut. Vor allem verdeutlicht sich dieses Wertsystem nicht nur anhand der sozialen Normen bzw. was allgemein für Strebenswert gehalten wird, sondern ein bestimmtes Schweigen grenzt aus Versuche durch eine offene bzw. positive Problematisierung zu einer anderen Werthaltung zu gelangen.

James Clifford in 'Predicament of Culture' berichtet von einem Gerichtsprozess in dem Indianer ihren kollektiven Entscheidungsvorgang zur Nutzung des gemeinsamen Landes gegenüber Privateigentümern verteidigen müssen, und den Prozess deshalb verlieren weil sie weder schriftliche Protokolle für diese Entscheidungen noch eigene Papiere zum Beweis ihrer Identität als Indianer zur Verfügung haben. Demnach gilt das Sprichwort der Indianer, kaum habe man dem weissen Mann ein schönes Stück Land gezeigt, ist er bereits drauf und dran einen Zaun zu bauen, und das ohne auf die weitere Umgebung und ihrer Schönheit solange das freie Natur ist, zu achten.

Die moderne Gesellschaft basiert auf einem permanenten Verdrängen existierender Probleme. Sie benutzt Schweigen um zu verhinern dass die ungelösten Probleme überhaupt zur Sprache gebracht werden können. Ulrich Fuchs berichtete dass Marseille 2013 bei den Vorbereitungen für das Jahr, als die Stadt Kulturhauptstadt Europas war, an Grenzen stiess, als sie die Debatte zu Algerien mittels einer Ehrung von Albert Camus organisieren wollte. Solch ein Schweigen ist weitaus mehr als nur Zensur. Es fördert eine systematische Ausgrenzung von kreativen Leuten und anders Denkenden, und mündet letztlich im Verlust des Imaginären. Sobald das eintritt, dann können die Menschen sich nicht mehr vorstellen, es gäbe noch eine andere gesellschaftliche Zusammensetzung von guten Leuten die imstande wären eine andere, zugleich humane Politik zustande zu bringen. Stattdessen sind sie permanent gezwungen sich mit dem Gegebenen zufrieden zu geben.

So kommt es zu einer gesellschaftlichen Entwicklung, in der das Schweigen zu den Artikulationsschwierigkeiten der Menschen beiträgt. Das verdeutlicht sich anhand der gesetzten Tagesordnung die nicht mehr von den Menschen, sondern von besonderen, zumal auch verdeckten Interessen bestimmt ist.

Das beste Beispiel hierfür ist die ungelöste Arbeitslosigkeit. Falls die sich darin verborgende Problematik nicht wirklich erkannt wird, verleitet diese Nicht-Beachtung dazu, den einzelnen für schuldig zu halten, falls er oder sie immer noch keine Arbeit nach einer bestimmten Zeit hat. Die Reduktion des ganzen Problems von Arbeit in der Gesellschaft auf den einzelnen ist das deutlichste Indiz fürs Verkennen der wirklichen Zusammenhänge die die bezahlte Arbeit überhaupt zu einem ungelösten Problem der modernen Gesellschaft hat werden lassen.

Allein die fehlende intellektuelle Offenheit für weiter gehende Diskussionen genügt, um eine Problematisierung der Probleme zu verhindern. Allzu schnell wird das in der Umgangssprache als 'intellektuelles Geschwätz' abgetan, wenn im Grunde genommen die Problematisierung erst zu erkennen gibt, dass das Problem noch gar nicht wirklich klar definiert wurde. Hinzu kommt eine weitere Einschränkung denn nicht alle Lösungen sind akzeptabel, insbesondere wenn die Mittel dem Zweck widersprechen z.B. den Frieden mittels eines Krieges herstellen zu wollen. Kurzum der Widerspruch zwischen Umgangssprache und bewusster Reflexion verhindert im selben Augenblick ein und das Selbe zu beachten.

Thesen zur Sprachentwicklung

Damit sei keine grundsätzliche Verneinung der Umgangssprache gemeint, also welche Sprache die Menschen sich gewöhnlicher Weise bedienen (man achte auf dieses Wort 'bedienen'), um sich zu verständigen. Puschkin gelang es, die gesprochene Sprache so wiederzugeben, dass daraus eine wahre Quelle für die Literatur und weitere Entwicklung der russischen Sprache wurde. Das Selbe kann nicht von Martin Luthers Bibelübersetzung gesagt werden. Hinzu kommen noch weitere Versäumnisse deutscher Dichter die kaum oder überhaupt nicht auf die Umgangssprache achteten. Goethe schaute herab auf die einfachen Menschen und verachtete sie dafür, dass sie kein gehobenes Deutsch 'beherrschten' (auch dieses Verb ist interessanterweise ein Widerspruch in sich). Und Gadamer urteilte jemand der nicht das Wort 'ganz' richtig zu verwenden wüsste, der verstünde eben nicht die deutsche Sprache. Dieses Herabschauen auf andere reflektiert selbstverständlich die hierarchische Abgrenzung der Ober- von der Unterschicht und gibt einen ersten, zugleich bedenklichen Hinweis auf die Beschaffenheit eines elitären Bewusstseins. Leider kumuliert das in der absurden Forderung, der einzelne solle seine Ich-Bezogenheit aufgeben, und sich eher durch die Sprache 'führen' lassen. Das daraus die Ohnmacht der Massen ableitbar ist, soll niemanden verwundern. Zugleich begründet das weshalb eine Klärung zwischen Sprache und Schweigen als eines der bislang ungelösten Probleme dringend notwendig ist.

Zu dieser Abgrenzung nach unten hin käme noch etwas künstliches hinzu. Kant verlangte von seinem Diener, dass er sich in die Uniform wirft, ehe er den Herrn wecken würde. Die Vermutung liegt nahe wenn die beiden der Straße entlang gingen, wollte Kant sicher gehen, die Leute können zwischen Herr und Diener unterscheiden, und darum ihn nicht mit der anderen Rolle verwechseln. Kant war eine schmale Figur, folglich befürchtete er vermutlich zu Recht solch eine Verwechselung kann leicht passieren. Klaus Heinrich deutete das als Ausdruck einer Ich-Schwäche bei Kant.

Bei all diesen Abgrenzungen von den einfachen Menschen und deren Gewohnheitssprache besteht die Gefahr, dass das Schöpferische der Sprache und darum das 'menschliche Selbstbewusstsein' verloren geht bzw. nicht angesprochen wird. Noch mehr, es reproduziert sich in der Literatur, Philosophie und letztlich in der Politik eine Weltanschauung die auf einer Verneinung des einfachen Menschen beruht. Heidegger verachtete die Massen weil sie angeblich nicht imstande seien 'Ich meine das' zu sagen, aber stattdessen sich hinter dem Ausdruck 'man meint das' verstecken würden. Sie würden also keine Selbstverantwortung auf sich nehmen wollen, so Heideggers Urteil. Solch eine Verneinung nannte Johannes Agnoli ein Indiz für einen anti Humanismus der ganz und gar im Widerspruch zum Deutschen Idealismus in verschiedenen Phasen der Geschichte besonders virulent wurde. Obwohl so oft von einem aus der Antike abgeleiteten Ideal des Menschen gesprochen wird, konstituiert sich in der sprachlichen Realität des deutschen Idealismus eine unzumutbare Verneinung, weil diese sich bis hin zu einer unvorstellbaren Grausamkeit gegenüber dem Menschen erstrecken kann.

Freud zeigte in einem kleinen Aufsatz das Endergebnis einer allgemeinen 'Verneinung' der Menschen. Sie blieben ohne Identität nachdem sie in eine Organisation zwecks Arbeit nach bestimmten Anordnungen, u.a. nicht zu widersprechen, sondern zu schweigen, hinein gezwängt wurden. Die Produkte die sie herstellen werden aber dadurch kenntlich gemacht indem sie den Stempel tragen: 'Made in Germany'. Ein Nationalismus ist darum die billige Kompensation für diesen Mangel an persönlicher Identität in einer Gesellschaft die nur gewillt ist sich auf die Produktivkraft zu konzentrieren, zugleich aber die schöpferische Kraft davon abtrennt, zugleich höchsten den Dichtern und Denkern es gestattet dieses Ideal unter ganz bestimmten Bedingungen zu repräsentieren.

Hölderlin kam nicht klar mit der groben Sprache rauer Männer, und bevorzugte darum den Dialog mit den Göttern d.h. einer Idealvorstellung von Sprache. Hegel verneinte die Umgangs- also die unmittelbare Sprache in der Klangfarben durchs Dialekt wieder gegeben werden, und hob somit auf eine nur noch vermittelbare Hochdeutsche Sprache ab. Viele Menschen geben auch heute noch zu, dass sie einen eher verstehen wenn sprechend im Dialekt als in der Hochdeutschen Sprache.

Was die gesamte Entwicklung der deutschen Sprache und Literatur betrifft, Robert Minder entwickelt die interessante These dass das Pfarrhaus die Urzelle der deutschen Literatur sei. Viele Schriftsteller, Dichter, aber auch Politiker bis hin zu Kanzlerin Merkel und Bundespräsident Gauck im Jahre 2014 stammen aus solch einem Elternhaus indem der Vater und in letzter Zeit auch die Mutter das Pfarramt inne hatte. Viele die in der Bürgerbewegung der Opposition in der ehemaligen DDR aktiv wurden, absolvierten das Theologie-Studium und lernten rhetorisch geschulte Redner zu sein, die es verstanden aus der Politik einen moralischen Anspruch zu machen, und gleichzeitig die Gesellschaft davon überzeugen konnten, sie seien alleine imstande glaubhaft die Moral in die Politik zu tragen. Der seltsame Widerspruch zeigt sich spätesten dann wenn der ehemalige Pfarrer Gauck als Bundespräsident die Bundesrepublik dazu auffordert sich stärker militärisch im Ausland zu engagieren. Gemeint sind selbstverständlich Aktionen zugunsten des Friedens, aber als ein Vorgänger von Gauck in Afghanistan sagte, deutsche Truppen seien alleine wegen geschäftlichen Gründen in diesem fernen Lande, musste er sofort seinen Hut nehmen und vom Amt des Bundespräsidenten zurück treten. Das zeigt ein weiteres Mal wie schmal der Grad zwischen Wahrheit und politischer Duldung ist.

Die verschwiegene Kluft zwischen Unmittelbarkeit und Vermittlung

Doch zurück zum Pfarrhaus als Urzelle der deutschen Literatur, der Grund dafür dürfte ein einfacher sein! In einer doch strikt getrennten Klassengesellschaft ist das Pfarrhaus einer der wenigen Orte wo Leute aus unterschiedlichsten Schichten und Hintergründen doch noch zusammen kommen. Kinder die dort aufwachsen bekommen mit die verschiedenen Nuancen die es in jeder Sprache gibt, und die die unterschiedlichen sozialen Unterschiede widerspiegeln. Wenn also jemand in solch einem Kontext sprachlicher Vielfalt aufwächst, wird es ihm oder ihr allemal leichter sein Zugang zu einer Sprache zu finden die doch verbindlicher ist als die anderen beiden Alternativen: die Umgangssprache und die elitäre Sprache. Dennoch dürfte das eher eine bereits institutionalisierte Sprache als eine offene sein.

In Christa Wolfs 'Kein Ort! Nirgends' wird das Dilemma erkennbar, denn Kleist und Günderrode fühlen sich zwar im Salon wo Gespräche über die Zukunft Dank der wissenschaftlichen Forschung statt finden, unwohl, aber sie können auch nicht in den Hof einfach gehen und sich unter den dortigen Menschen mischen, obwohl jene eng mit einer sinnlich wahrnehmbaren Ebene verbunden sind. Denn durchs offene Fenster im Salon ist das Sägen von Holz und das Gackern der Hühner zu hören.

Die unmittelbare Ebene der sinnlichen Wahrnehmung wurde, wie gesagt, von Hegel verneint. Folglich besteht unter den Dichtern und Schriftstellern die Furcht würden sie sich vollkommen darauf einlassen, könnten sie nicht mehr auf der Ebene der begrifflichen Reflexionen mithalten. Und die eben bestimmt nach wie vor den Gang der Dinge, setzt den Ton und begrenzt nach Raum und Zeit Koordinaten welche Erfahrung in diesem Kontext geltend gemacht werden kann. Erlebnisse sind darum bloß subjektive Eindrücke. Interessanterweise gibt es diese Unterscheidung nicht im Englischen in der für beides das Wort 'experience' verwendet wird. Das wiederum kann verdeutlichen wo eine enorme Differenz zwischen dem Streben nach eindeutigen Begriffen und einer Einheit von nicht nur Sprache sondern vom Ganzen im Deutschen Idealismus erkennbar wird.

Rückkehr zur Eindeutigkeit der Begriffe (Einstein)

Einstein wollte in 1920 mit seiner Relativitätstheorie die Eindeutigkeit in der Ableitung von Begriffen für Handlungen erzielen. Man machte sich über ihn lustig. Heisenberg gelang es diesen doppelten Anspruch auf ein Selbstverständnis der Wissenschaftler und der Menschen und der Selbstständigkeit des Objektes zwecks des ethischen Anspruches auf 'Eindeutigkeit' mit seiner Wahrscheinlichkeitstheorie zu überlisten.

Interessanterweise kehrt aber zu Beginn des 21.Jahrhunderts die wissenschaftliche Debatte zurück zur Feldtheorie von Einstein. Sein Anspruch wird neuerdings wieder mehr Geltung auf Wahrheit und Ethik zugesprochen. Allem Anschein nach erwies sich wissenschaftliches Handeln in der Annahme von was das Atom und das Gravitationsgesetz bekundet außerstande aus moralischer Sicht etwas über die Beschaffenheit der Welt auszusagen. Die zur Technologie verkommene Weltansicht  begünstigte allzu viel unethisches Handeln und Verhalten.

Die volle Konsequenz dieser Rückbesinnung auf Einstein wird sich erst noch zeigen, wenn das auch Künstler, einschließlich Dichter und Schriftsteller erfasst, und darum sich auf die weitere Entwicklung von Denken und Sprechen auswirken wird.

Vernunft und Kenntnis der Dinge als wahrnehmbare Veränderung

Kurzum ist die Folge von all diesen Ein- wie Beschränkungen des sogenannten Selbstverständnis eine Behinderung, wenn nicht sogar Zerstörung von nicht der Vernunft wie so oft das seit Goya und seiner Warnung vor der Vernunft die ihre Kinder frisst, formuliert wird, sondern von der Freiheit zu denken, und zwar ein ausdrückbares, so dass laut gedacht wird und Denken hörbar ist. Sehr selten zeigen heutzutage noch Wissenschaftler wo die Grenzen ihres Wissens liegen.

Ganz anders dagegen z.B. Sigmund Freud in dessen Schriften der Leser zu einer Stelle kommt, wo er zugibt hier und nicht weiter kann er gehen und hier müsste ein Philosophie die Aufgabe übernehmen und daran weiter arbeiten. Solch eine 'Erbschaft dieser Zeit' (Bloch) würde der nachfolgenden Generation eine Chance geben da anzuknüpfen und weiterzumachen wo die voran gegangenen Generationen nicht weiter kamen. Das setzt aber ein offenes Zugeben der eigenen Beschränktheit im Wissen voraus aber was selten der Fall ist denn es dominiert der Schein das Wissens angesichts des Zwanges stets Erfolgreich sein zu müssen. Genauso wenig werden Schwächen und Fehler zu gegeben, eben weil die Menschen sich vor einer Verletzbarkeit fürchten da darin völlig ungeschützt, es allzu oft im negativen Sinne wiederum von anderen ausgenutzt wird, um für sich selber Vorteile vor dem anderen zu ergattern.

Nun sprach Bloch von einem 'Fluss' den die Sprache bilden würde. Er dachte dabei an Heraklit und an dessen Einsicht in die Materie, insofern keiner zwei Mal in den selben Fluss treten kann und darum Veränderungen ebenso das Entstehen und Vergehen von oftmals nicht wahrgenommenen Formen bedeuten kann. Das diese Formen nicht wahrgenommen werden liegt an der Beschränktheit der Sprache die nur das wahrnehmbar zulässt was als etwas existierendes Etwas definitive, wenn nicht sogar feste Formen annimmt. Bloch meint bei Formen im Unterschied zum Inbegriff von Wasser den Fluss oder den See worin Wasser enthalten ist aber zugleich mehr als nur Wasser ist weil es etwas definites bildet.

Folglich besteht die Erkenntnisfrage welche Veränderungen können wir mittels der Sprache wahrnehmen, insbesondere wenn die Wahrnehmung der Vielfalt an Formen beschränkt bleibt aus Gründen einer begrenzten Möglichkeit zur Reflexion? Sehr selten wenn überhaupt gelingt es etwas außerhalb unserer Selbst wahrzunehmen, obwohl die Wissenschaft spätestens seit Einstein sich der Selbstständigkeit der Erde und des Universums vom subjektiven Mensch-Sein bewusst ist. Es wurde darum stets nach jenen Orten gesucht wo solch eine Offenheit im Denken entsteht so dass Innen und Außen unterschieden und dennoch miteinander in Verbindung gebracht werden kann. Daraus entstand der Begriff 'Topos' und wurde in der Mathematik zur Topologie als Fachbegriff für eher Flächen-deckende Linien die an bestimmten Stellen zusammenlaufen würden. Doch solch eine eher poetisch-philosophische Vermutung dass die Welt auch selber als etwas außerhalb von einem selber wahrnehmbar sei, sie wirkt sich fort im Denken an wirklichen Erfahrungen die noch andere Erkenntnisse zu Tage fördern, und darum setzt Kant bereits das Experiment als künstlichen Raum für eben solche Erfahrungen voraus, um zu einem neuen Wissen zu gelangen. Nur ist das Leben kein Experiment und die Menschen benötigen zwecks Lösung von Problemen auch solche Veränderungen die ein anders Zusammengehen gesellschaftlicher Praxis und politischen Einstellungen bedürfen, falls es zu einer gerechten Verteilung des angesammelten Reichtums in einer Gesellschaft kommen sollte.

In solch einem Zusammenhang zu denken, hiesse sich erstmals einem Dilemma zu stellen. Wenn Formen nötig sind, um das existierende Etwas wahrzunehmen, bleibt aus die Frage nach dem Inhalt. Ähnlich wie sind gesellschaftlichen Veränderungen wahrnehmbar? In Analogie zu Menschen die alle von einem großen Fluss mitgerissen werden, beinhaltet es noch keine Lösung, da die Menschen doch etwas festes benötigen und woran sie sich festhalten können, um trotz Veränderungen sich selber als Bestandteil des Lebens begreifen zu können.

Ansonsten würde die Wahrnehmung des veränderbaren Etwas sich auf ein 'alles oder nichts' reduzieren und darum die Alternativlosigkeit zur Gegebenheit reproduzieren, eben weil das Problem einer gesellschaftlichen Veränderung als etwas ungelöstes erscheinen ließe.

Das Etwas zwischen Sein und Nicht-Sein

Jede Alternativ- bzw. Aussichtslosigkeit reproduziert sich in einem 'alles oder nichts' weil das verbindende Etwas zwischen dem Sein (Identität des Subjektes) und dem Seienden (die Handlung die dazu beiträgt das Etwas Formen annimmt) fehlt. So auch Heidegger der in 'Sein und Zeit' nur den Gegenpol Sein und Nicht-Sein wählt aber dabei die Lehre der Materie bzw. den Bezug auf das Etwas auslässt.

Das Etwas beinhaltet schöpferische Möglichkeiten zum menschlichen Selbstbewusstsein nicht im utopischen, sondern im materiellen und sozialen Sinne zu gelangen. Dazu ist aber eine andere als nur die gewöhnliche Umgangssprache nötig. Das Heraustreten aus dem Alltags und den Gewohnheiten nannte Arthur Koestler den Unterschied zwischen der trivialen und der tragischen Ebene. Oftmals wird letzteres verkannt weil wirkliche Lösungen einen um so näher zum wirklichen Leben bringen und eben umso mehr bewusst machen wie begrenzt das eigene Leben ist.

Tragik bedeutet nicht im Sinne von Shakespeare das Schicksal eines Macbeths, sondern ein Aufgehen in einer Unendlichkeit in der das Etwas nicht mehr voll und ganz erklärbar ist. So gestaltet ebenso ein Künstler sein Kunstwerk bewusst wie unbewusst, die besten Werke oder Romane eben jene wo der Künstler nicht mehr seinen Willen den Dingen aufzwingt, sondern alles aus einem schöpferischen Sein frei von ihm hervorgehen und geschehen lassen kann. Das Zufällige ordnet sich dann von alleine.

Ganz anders hingegen der Fall wenn nur hinter starren Erwartungen und noch mehr in bloßen Sprachgewohnheiten verblieben wird, um Enttäuschungen und ein Nicht-Wissen zu verbergen. Realität kann dann nur noch in der Form einer Imitation des Gemeinten und des Verstandenen wieder gegeben werden. Die Wiederholung des Selben ist damit in Gange gesetzt und setzt darum über alle Nuancen an Veränderungen hinweg. Doch das damit zum Symbol erstarrte Gewohnte, also die Imitation des Gemeinten, kann nicht mehr verändert werden, weil zu sehr verschlüsselt, um noch als Kode entzifferbar. Der Sprecher ist sein eigener Gefangener in was angesprochen bzw. vernommen werden kann. Die Verschlüsselung stellt eine besondere Selbstentfremdung dar weil das originale Modell für die Imitation verloren gegangen ist, und deshalb erklärt wann immer eine Bewegung zurück zum Ursprung will, es in einem Hang zum Mythos und zur Verklärung landet z.B. die Nazis und ihr Zelebrieren des Germanischen Kults in den Thing-Stätten die speziell dafür z.B. in Heidelberg errichtet wurden.

Die ver-institutionalisierte Sprache

Sobald eine gesamte gesellschaftliche Entwicklung von solch einem Sprachduktus beeinflusst wird, der den Zugang zur gemeinsamen Sprache blockiert, sind wichtige Veränderungen nicht länger wahrnehmbar. Stattdessen wird eine Gesinnungssprache institutionalisiert, die die wohl vermeintliche gemeinsame Ebene zwecks eines sprachlichen Austausches in dieser Gesellschaft bestimmt und zensiert.

Nach kantianischem Vorbild handelt es sich um eine Sprachebene nach dem Duktus von 'als ob': eine Imitation der Annäherung an die Wirklichkeit, aber halt nur scheinbar. So wird gehandelt 'als ob' man eine starke Frau oder ein starker Mann sei, aber was niemals in Wirklichkeit herausgefordert und darum getestet werden darf. Denn es handelt sich um einen bloßen Schein der bewahrt bleiben will. Es entspricht der sprachlichen Absicht weniger über den Inhalt und dessen Möglichkeiten zur Form zu gelangen, um existieren zu können, zu reden, als vielmehr imstande zu sein so tun als ob das Problem der Erscheinung des Selbst in der Gesellschaft gelöst sei. So kommt es zu unausgesprochenen Vermutung, in Wirklichkeit eine Erwartung, wenn 'man' als 'stark' erscheint, wird der andere entsprechend reagieren z.B. eingeschüchtert und darum unterwürfig einem selber gegenüber sein.

Diese Form der Imitation von Macht steckt sogar in jedem und macht sich anhand von Zügen eines Diktators bemerkbar. Das ist natürlich die Folge eines verinnerlichten Bewusstseins als ob sämtliche sozialen Verhältnisse von einer Herrschaft bestimmt sind, so dann alle anderen zu Knechten macht. Dem folgt die anscheinend vernünftige Einsicht ohne Anlehnung an eben dieser Herrschaft ginge gar nichts, aber auch gar nichts, wolle man etwas in der Gesellschaft erzielen. Demnach wird der Kontakt und die Kommunikation mit der Herrschaft ständig gesucht, zugleich aber die Weiterentwicklung der Sprache auf gemeinsamer Ebene, also da wo das Selbstverständnis etwas voraussetzt und annimmt, vernachlässigt, insofern es bei den bloßen Sprachgewohnheiten als solches unreflektiert belassen bleibt. Das wird erkennbar in der Nachzeichnung des Lebens von Jürgen Stroop, der Verantwortliche für die Liquidation des Warschauer Jüdischen Gettos, weil eben seine Mutter in Verneinung ihres Ehemannes so handelte, und darum ihren Kindern ein falsches Vorbild vermittelte. 5

Es handelt sich dabei um einen fatalen Trugschluss, weil politisch nicht nur gefährlich, sondern es verleitet zur Verneinung einer besonders wichtigen Freiheit, nämlich jene um sich selbst gegenüber frei, zugleich schöpferisch sein zu können. Es kommt also zur Selbstunterdrückung mit all den bekannten Folgen z.B. vom Alkoholismus bis hin zum Selbstmord.

Das es sich bei diesem Trugschluss um ein weitverbreitetes Phänomen handelt, es ist weniger erstaunlich als viel mehr gravierend weil das Lernmodel der Imitation überall da, aber insbesondere in der sogenannten Dritten Welt oder in jenen die immer noch unter einem Post-Kolonialismus leiden, befolgt wird, wo es eine korrupte Elite gibt die nur Erfolg-versprechende Modelle anderswo praktiziert nachahmt und zwecks Ruhm und Profit noch etliches mehr drauf setzen, um sich dadurch hervorzutun. 6 Das erstaunt nicht weil diese lange von Europäischen Kolonialmächten beherrscht und beeinflusst wurden, und noch heute ihnen nichts anderes als die bloße Imitation übrig bleibt. Sie verfehlen damit eine eine kulturelle Adaption in dem sie das sogenannte Neue ohne wirklicher Akkommodation, um einen Begriff von Piaget zu gebrauchen, direkt verinnerlichen, und sie darum in eine falsche Entwicklungsrichtung treibt. Sprache als 'Fluss' wird unter diesem Aspekt nicht länger wahrnehmbar sein.

So gesehen verwundert es wenig wenn zum Beispiel in einer Stadt wie Athen sämtliche Flüsse die vorhanden waren mit nur sehr wenigen Ausnahmen verschüttet wurden, um Platz für eine Expansion der Stadt die ohne Rücksicht auf natürliche Gegebenheit durchgesetzt wird. Zur Rechtfertigung wird dann stets hinzu gefügt, das wollen die ausländischen Investoren. Darauf kommen erwartungsgemäß nur noch entsprechende nationalistische Reaktionen um diese falsche Methode der Imitation als Adaption zu verschleiern.

Die Unsicherheit als Grund zum Schweigen

Wenn Reaktionen auf Versuche die sozialen Verhältnisse und darum das Lernmodel zu verändern ausbleiben, oder nur falsche Rückmeldungen sind, werden Menschen unsicher und noch schlimmer auf die ihnen vertrauten Formen zurück geworfen. Jene sind meistens durch negative Erfahrungen besetzt und zeugen Mangels Widerstand nur von einer Hilflosigkeit, so als ob sich nichts verändern würde. Das bestimmt dann auch deren Haltung gegenüber der Politik die oftmals diese Art der Resignation kultiviert, um die Menschen in Schach zu halten.

Mit anderen Worten, sind Menschen einmal verunsichert, greifen sie aufs bereits Gewohnte entsprechend ihren Lebenserfahrungen und bereits getesteten Lösungen zurück, weil das Bekannte bereits erkannt worden ist (Hegel). Interessant ist dann die Wahl der Sprache denn es kommt darauf an inwiefern in nicht der eigenen, sondern in der Sprache des Wohl-Vermeintlichen kommuniziert wird. So neigen Kinder dazu wenn in Konfrontation mit ihren Eltern nicht in der eigenen, sondern entweder in der Sprache von Erwachsenen, also im Sinne der Alt-Klugheit, zu reden, oder sie tauchen ab ins Schweigen mit dem letzten Satz ein Urteil, „ihr versteht das sowieso nicht!“ Dieser Abbruch geschieht von Generation zu Generation, und beendet den angestrebten Dialog zwischen den verschiedenen Generationen noch ehe er wirklich begonnen hat. 7

All das geschieht um so mehr, wenn keine Generation genügend Freiheit erfährt, um eine eigene Beziehung zwischen 'Denken und Sprache' für sich hörbar zu machen, sondern gezwungen wird, die Begriffe der vorangegangenen Generation einfach blind zu übernehmen. Vor allem hat sich nach der Studentenbewegung von 1968 gezeigt, dass es eine zweite politische Generation bedarf, um aus dieser negativen Verkettung herauszutreten bzw. das Schweigen der älteren Generation vor allem zu was im Zweiten Weltkrieg geschah, zu durchbrechen. Das kam mit der Hausbesetzer-Szene in West Berlin ab 1980-81, wobei die '68 Generation den jüngeren wünschte nicht mit ihren Eltern zu brechen wie sie das wegen der NS-Vergangenheit tun mussten. Denn ohne Vertrauen bildet sich keine differenzierte Wahrnehmung heraus, sondern bleibt einseitig und darum unwahr.

Wenn Bloch demnach von notwendigen Überschuss an Energie zwecks Befreiung spricht und schreibt, dann meint er genau das: die Freiheit sich mit solchen Dingen und Problemen die weit über das Gegenwärtige hinausgehen, zu befassen, um eine Vorstellung von noch einer anderen Zukunft auf einen zukommen zu lassen. Energie wird dann nicht bloß konsumiert bzw. ab gelebt und in der Gegenwart verbraucht, sondern das Zukünftige macht sich darin bemerkbar, insofern Energie für was noch kommen wird, erzeugt und bewahrt wird. Dagegen ermüden sehr schnell Menschen, die enorm von der Vergangenheit belastet sind und alles in der Gegenwart verbrauchen. Das ist besonders dann der Fall, wenn voran gegangene Generationen kaum die Freiheit hatten aus eigenem Willen heraus zu handeln.

Johannes Agnoli wunderte sich des öfteren über die Matrosen die die russische Revolution zwar auslösten, so doch sechs Monate dem Befehl von Lenin widerstandslos gehorchten und sich aufstellten ließen, um dann der Reihe nach erschossen zu werden. Hier obsiegte eine Generationskette der Unfreiheit die der Enkel vom Großvater geerbt hatte weil außerstande anders zu denken, und deshalb sich der Befehlsstruktur widerstandslos anpasste.

Der Unterschied zwischen Imitation und freier Entfaltung

Es handelt sich um eine Klarstellung der Differenz zwischen Imitation und kultureller Entfaltung. Während die Imitation stets auf falschen Annahmen beruht, kann es gar nicht zu einer kulturellen Entfaltung kommen, wenn nicht Neues hinzu kommt, und das in Kenntnisnahme einer noch anderes zu verstehenden Beziehung zwischen einem Selbst und der Realität. Denn daraus ergibt sich der sogenannte Realitätsanspruch, oder was ein Mensch auszuhalten vermag, um wirklich in der Realität anwesend zu sein. Da dies stets eine Struktur zwecks einer Reflexion zur Abwesenheit voraussetzt, kann die Wirklichkeit erst durch eine Lebendigkeit, die nicht aus bloßer Selbstbehauptung besteht und die Vielfalt zulassen kann, erfasst werden.

Das Neue wäre in diesem Sinne das andere zum bislang Vertrauten und Gewohnten. Es muss nicht neu im absoluten Sinne sein sondern kann durchaus als das bislang nicht beachtete und darum als das neu hinzu gekommene aufgefasst werden. Es geht also nicht so sehr ums Neue, sondern zum die Realitätszufuhr die das Selbst erfährt sobald es zu einer ungehinderten Entfaltung kommt.

Nach Modellen zu leben und Politik per Imitation dieser Modelle umzusetzen zu wollen, wie oftmals die sogenannten Eliten der post-kolonialer Länder es versuchen, reflektiert sich im mangelnden Geschmack. Korruption wird durch ein verdächtiges Konsumieren (conspicious consumption) deutlich, und setzt sich insbesondere mittels eines sehr schlechten Geschmacks fest. Dies verleitet zu einem unwirklichen Leben weil immerzu nur demonstriert wird was es heisst viel Geld zu haben oder wie die Reichen zu leben. Es wird selber nicht gelebt und darum wenig wenn überhaupt etwas erinnert weil keine inhaltlichen Spuren hinterlassen bleiben. Somit ist das Selbst auf konstruierte Geschichten angewiesen, um zu einer wohl vermeintlich begehrenswerten Identität zu gelangen. Das hieße praktisch ein Verlangen nach immer neueren Erfahrungen, nach Abenteuern, nach schnellen Autos, großen Villen und einem sozialen Leben in dem es bunt zugeht. Da dies alles in einer künstlich erzeugten Welt teuerster Hotels, Cafes und Restaurants geschieht, wird und bleibt die wirkliche Außenwelt stark mystifiziert.

Folglich wird das Selbst nicht mehr gelebt und ist darum weit von einer revolutionären Situation entfernt. Jene wäre gegeben, wenn das Selbst sich wahrnehmen kann, und das ganz egal in welcher Situation die Person sich momentan befindet. Denn es beinhaltet auch die Freiheit jederzeit aus künstlichen Zusammenhängen herauszutreten, um nicht länger ein Teil dieses Systemzwanges zu sein. Der Zwang besteht aus dem bloßen Konsumieren von Leben und macht unmöglich die Vermittlung an inhaltlichen Interessen und substanziellen Kenntnissen durch eine lebendige Sprache. Denn auch die Oberschicht wie die Unterschicht ist oftmals in fatalen Sprachgewohnheiten fest gefahren und zeugt nur dann Kraft, wenn es darum geht Möglichkeiten Mensch zu werden, abzutreiben.

In dieser Hinsicht ist Blochs Definition des Reaktionären zu verstehen: er treibt ständig und immer Möglichkeiten ab, um nur seine begrenzten Vermutungen von was er oder sie anscheinend tun kann, bestätigt zu bekommen. All das nimmt im Verlaufe der Zeit einen Anschein an zu wissen was er oder sie meint tun zu können. Doch dieses Wissen ist nur ein scheinbares, weil es keine praktische Verständigung zwischen vermutetem Wissen und praktischem Geschehen mehr gibt. Stattdessen wird das Selbstbewusstsein ausgeblendet, wenn nicht sogar stark abgeschnitten von jeglichem weiteren Fluss einer Verständigung, insbesondere von jenem Strom der das menschliche Selbstbewusstsein füttert. Und sobald dass der Fall ist, dann wird die kulturelle Dimension von Freiheit nicht mehr sprachlich nachvollziehbar sein. Alles wird dann stattdessen nur noch auf eine fiktive Sicherheit abgestimmt sein. Michael Moore meinte in 'Bowling for Columbine', das Geschäft mit der Angst sei eines der größten samt all seinen fatalen Folgen. Das einzige was über solch eine entstehende Passivität, die alles geschehen lässt wie es kommen mag, hinweg zu retten vermag ist die sogenannte revolutionäre 'Ungeduld'.

All das soll ferner unterstreichen weshalb eine Veränderung bzw. ein Verlassen der Sprachgewohnheiten einer Gesellschaft so wichtig ist. Menschen die z.B. im Jargon einer Boulevard-Zeitung z.B. der BZ nur noch reden, verlieren sich in den negativen Urteilen die Bildsprache mit sich bringt. Folglich wetteifern sie um Pseudo-Erfolge, verlieren aber dabei die kulturelle Dimension der Freiheit weil sie weniger lesen und dem Imaginären ihre Zuversicht geben, sondern sich nur noch in bildhaften Absprachen engagieren, um sich gegenseitig die bereits vorhandene Meinung, was der Fall sei, bestätigen. Bei näherem Betrachten entpuppen sich die sogenannten 'Sprichwörter' als ein ganzes Komplex an verschiedener Tautologien, z.B. „ein Deutscher ist ein Deutscher weil er deutsch spricht,“ um dann alsbald verneint zu werden, weil noch andere, weniger explizite Kriterien dieser Definition hinzu gefügt werden. Zum einen besagt es die Auswirkung des Zwanges nicht nur eine nationale, sondern eine 'mythische' Größe annehmen zu müssen, um in dieser Gesellschaft jemand zu sein; zum anderen reflektiert es die Wahl das Selbst hat womit es sich identifizieren kann, und folglich läuft jemand nach dem erfolgreichen Gewinn der nationalen Fußballmannschaft mit seinem Körper in die nationale Fahne eingehüllt, um nicht Solidarität sondern Freude über diesen Sieg zu bezeugen. Hierzu mag der Gedanke von Foucault hinzu gefügt werden, um dieser Negation des Selbstbewusstseins zugunsten einer nationalen Identifizierung noch eine andere Deutung zu geben: „man redet nur dann mit dem anderen wenn nicht länger ein Sieg nötig ist.“ Doch der Unterlegene wird niemals so weit kommen solch eine Unabhängigkeit von der Notwendigkeit eines Sieges zu erlangen denn jeder Versuch dahin zu kommen schneidet ihn noch mehr von der wichtigsten Voraussetzung zu einer lebendigen Sprache zu kommen ab: eine praktische Verständigung zwischen Selbstbewusstsein und realem Geschehen in der Welt.

Die Schwierigkeit sprachliche Veränderungen zu begreifen

Die Schwierigkeit solche Veränderungen zu realisieren zeigt sich anhand der vielen Vorbehalte, die weniger mit Sprache, als vielmehr mit Verständigungsprobleme zu tun haben.Vorbehalte entstehen oftmals aus einem Dogma zugunsten von Praxis oder eher Aktionen, Taten, Handlungen. Jean Pierre Faye in 'Totalitäre Sprachen' erwähnt all die 'Tat'-Kreise die plötzlich in der Weimar Republik entstanden, und alle aus dem negativen Urteil, die Politiker engagieren sich bloß im Reden, aber die Leute wollen 'Taten' sehen. Diese Ansicht verleitet zu einer oberflächlichen Verneinung jeglicher theoretischer Reflexion. Kant beschäftigte sich bereits damit als er seine Schrift dazu verfasste, um sich mit dem Sprichwort „ganz schön in der Theorie aber in der Praxis...“ auseinander zu setzen. Vermutlich all das entspringt einer Gesellschaft die keinen allzu großen Wert einem differenzierten Denken gibt. Eher wird politisch und deshalb institutionell nur solch ein Denken zugelassen das sich selbst in allen theoretischen Reflexionen auf eine 'positive' Problematisierung beschränkt, und vor allem vom Stellen der Systemfrage absieht.

Eine doppelte Sicht auf die Gesellschaft und was in ihr vor sich geht, wird dadurch systematisch ausgeklammert. Foucault nannte die innere die anthropologische und die äußere die ethnologische Sichtweise, während es auf eine besondere Haltung ankommt, und zwar die Kunst diese Spannung zwischen der inneren und äußeren Sichtweise auszuhalten. Als jemand der das vermochte, war für den polnischen Journalist Kapuscinski Herodot. Er konnte seinen Zeitgenossen, die Griechen der Antike, ihren Glauben streitig machen, dass nicht sie, sondern vor ihnen die Ägypter die Götter erfunden hatten. Wie oft wollen Nationalisten nur ihr eigenes Land sehen und tun so als seien sie persönlich verletzt, sollte jemand es wagen ihren nationalen Staat und das ganze innerliche Treiben in jenem Staat zu kritisieren? Es würde sofort als Einmischung in innere Angelegenheiten abgetan werden. Dabei wird der Regel nach immerzu ein Souveränitätsanspruch erhoben der in den Inbegriff einer 'territorialen Integrität' mündet, um zu verdeutlichen was verletzt wird wenn nicht mehr respektiert. Dies ist der Fall in der Ukraine. Das Land verlor zuerst die Krim, und hat die volle Kontrolle über die Ostukraine in 2014 mit tragischen Folgen (u.a. der Abschuss eines Zivilflugzeugens mit fast 300 Menschen an Bord) verloren. Damit nicht genug, wird jegliche Einmischung als Bevormundung abgetan, und jeder Kritiker, ob innen oder außen, wenn nicht zum Schweigen zu bringen, sofort als 'Verräter' gebrandmarkt.

Was ferner eine beschränkte Sichtweise bzw. verkürzte theoretische Reflexion fördert, ist eine Politik die der Regel nach geschickt sich einer Rhetorik bedient, um von wesentlichen Inhalten abzulenken. Das wirklich Bedenkliche am besagten Vorgang wird wenn nicht komplett verschwiegen, so auch Frankreichs Krieg in Algerien, so dann solange klein geredet, bis am nächsten Tag die Überschriften in den Zeitungen andere als am Vormittag sind, und die Menschen eher es mit einer unsäglichen Angst wegen der Vergesslichkeit der Welt zu tun bekommen (siehe Pablo Neruda der in seinem Gedicht von Männern die erst groß in den Zeitungen als Helden beschrieben wurden nachdem sie einen gigantischen Polypen auf ihrem Fischerboot bekämpften, und am nächsten Tag nicht mehr in den Zeitungen standen). Das systematische Vergessen ist darum ein Kennzeichen für wie effektiv das System funktioniert, um nicht in Frage gestellt zu werden.

Wenn unangenehme Inhalte in der Politik und Gesellschaft Dank auch der Medien vermieden werden, dann handelt es sich um eine Erfüllung der Absicht nur beschränkt eine Problematisierung zuzulassen. Ansonsten muss alles unter klar kontrollierbaren Bedingungen geschehen, und darum wird nicht alles öffentlich und institutionell zugelassen. Jürgen Habermas sprach darum von einer 'Pathologie der Kommunikation' angesichts eines Strukturwandel der die Öffentlichkeit erfasst hat, und meinte damit auch das Überhandnehmen solcher Figuren wie Berlusconi und Murdoch die die Medien unter ihrer Kontrolle bringen. Doch er geht nicht weit genug denn Geheimdienste und noch andere Organisationen wollen möglichst die Öffentlichkeit nur minimal informiert lassen, um unkontrolliert und ohne viel Fragen ihren Geschäften nachgehen zu können. Darum handelt es sich nicht bloß um eine scharfe Abtrennung zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen. Eher wird jede politische Interessenvertretung in den Dienst besonderer Interessen gestellt und hinten an zu privaten Interessen gestellt. Dazu passt die Losung der Neoliberalen die eine 'Privatisierung' von allem fordern. Sie wollen damit nicht nur den Sozialstaat abschaffen, sondern wollen die Aberkennung des sogenannten öffentlichen Gutes. Damit gäbe es keine Dialektik zwischen besonderen und allgemeinen Interessen; stattdessen bestünde die Gesellschaft nur noch aus privaten Interessen. Ein interessantes Beispiel dafür liefert James Clifford als er einen Gerichtsprozess beiwohnt, denn Indianer wollen eine andere Landnutzung auf der Basis kollektiver Meinungsfindung während die neu hinzu gezogenen Privat Eigentumsbesitzer wollen dass die Gemeinde sich lediglich um solche Dienste wie Müllabfuhr kümmert und nicht reinredet was sie auf ihrem Grundstück machen wollen.

Die Intersubjektivität - zwischen Reden und Zuhören

Um nochmals auf Habermas zurück zu kommen, so betont er die Bedeutung einer 'Intersubjektivität' für die menschliche Kommunikation. Was immer er mit diesem Begriff besagen will – Popper gebrauchte ihn um eine wissenschaftliche Gemeinde zu definieren, insofern der einzelne nur subjektiv, niemals also objektiv sein könne, und erst in der Gemeinde solch einer Intersubjektivität könne man von einer Annäherung an Objektivität reden – er abstrahiert allzu schnell von was insbesondere Studenten von einer Kenntnisnahme des Inhaltes einer Vorlesung abhalten kann. Gemeint sei die schlichte Feststellung viele können überhaupt nicht 'zuhören', sondern lassen sich nicht nur ablenken, sondern sie werden von bestimmten Formen abgestossen z.B. wie der Professor redet. Habermas selber hat wegen seiner Hasenlippe enorme Schwierigkeiten wirklich bei einem mündlichen Vortrag verstanden zu werden.

Doch es scheitert nicht allein am Redner. Mangels einer bestimmten rezeptiven Haltung werden quasi wegen eingebauten Filtern nur Teile verstanden oder sogar wegen vorgefassten Meinungen praktisch missverstanden. Die Ursache dafür dürften mehr als nur Vorurteile sein. Manche Studenten würden einen Professor vollkommen ablehnen wenn er sich mal entgegen ihren Interessen geäußert haben soll.

Adorno warnte die Studenten vor allem nicht aus einem komplexen Zusammenhang der durch eine 'Theorie' vermittelt wird, nur einen Aspekt herauszugreifen, um danach zu handeln, weil dies der Regel nach zu einer reaktionären Praxis verleiten würde.

Es gibt immer wieder Auseinandersetzungen an den Universitäten innerhalb von welchen Formen Lernen stattfinden soll, doch Bart Verschaffel, Philosoph und Prof. an der Universität von Gent meint zu Recht, selbst wenn man nicht mit der Interpretation von Kant bei diesem bestimmten Professor einverstanden ist, dennoch könne man zuhören und versuchen seine Ansicht zu verstehen. Vieles hängt also von der eingenommenen rezeptiven Haltung ab, denn das Zuhören wenn jemand redet oder einen Vortrag hält, das ist keineswegs selbstverständlich noch eine beliebige Angelegenheit.

Das Reden und das Zuhören setzt eine Gesetzmäßigkeit voraus, allerdings eine die offen für den Zufall sein soll. Hinzu kommt die Aufmerksamkeit welche einem Redner zu teil wird oder auch nicht, die ist keinesfalls eine Selbstverständlichkeit noch eine beliebige Angelegenheit. Sie ist genauso zielgerichtet wie das Reden nur halt anders. Beide können falsch angelegt sein, weil nicht mehr offen dafür das noch andere Dinge angesprochen werden können. Denn zweierlei ist nötig: das gezielte, also auch strukturierte Reden wie ein aufmerksames Zuhören das ebenso imstande ist weiteres herauszuhören. Kurzum, die Synthese verdeutlicht sich durch eine beiderseits zunehmende Aufnahmefähigkeit die den Wert der theoretischen Ansicht bestätigt.

Kritisches Denken setzt da ein wo das Affirmative vermieden wird, um so aus dem Dasein eine Befreiung einzuleiten. Denn konkret sein kann ebenso Befangenheit in der Materie der Dinge bedeuten. Allerdings kommt noch etwas hinzu. Ein Redner kann eben wegen des Reichtumes seines Denkens so viel ansprechen, dass die Vielfalt möglicher Assoziationen nicht mehr mit den Gedanken die seine ausgesprochenen Sätze ansprechen wollen, einher gehen. Die Steigerung an Bedeutungen überfrachtet dann die Sprache und bewirkt wenn nicht Verständnislosigkeit ebenso das Schweigen als Ausdruck einer unmittelbaren Betroffenheit. Es gilt also etwas zu lösen, und sei es durch Schweigen als Pause zwischen Reden und Zuhören.

Schweigen als Pause

Die Struktur der Erkennbarkeit wo Schweigen solch eine Pause beinhaltet, ist keine leicht zu identifizierbare, aber sobald ein Redner Rücksicht auf seine Zuhörer nimmt, wird solch ein Schweigen erstmals ein Einverständnis im Urteil, zu viel ist zu viel, bewirken. Aus solch einer Gemeinsamkeit kann dann der Zeit nach etwas folgen, worauf sich jeder einlassen kann. Es geschieht dann in der Regel eine Zwischenbemerkung, oder der Redner nimmt einfach ein Glas Wasser eher er weiter macht.

Somit ist eine grundsätzliche Erklärungsfrage wie soll offen mit der Vielfalt seiner Gedanken umgegangen werden? Käme es zu einer Analyse der verschiedensten Situationen, wo jemand einem anderen zuhört, während dieser einen schwierigen Gedanken zu erläutern und zu erklären versucht, dann wäre das sowohl ein soziales als ein historisches Ereignis, wenn dieser Dialog noch mehr Energie erzeugt, weil für beide Verständnis, Anerkennung und neue Problemformulierung wichtig geworden sind.

Ein Beispiel dafür sei der Gedanke an eine Regierung die nicht nur nötig, sondern auch der Form nach die höchste Instanz für die Gesetzgebung sei. Ein Zuhörer der jegliche Regierungsform ablehnt, weil Anarchist, würde darum niemals das Erörtern solch eines Gedankens zulassen. Ebenfalls geschieht das Nicht Reden Können wenn solch eine Regierungsform durch eine Willensbekenntnis zu einer absolut gesetzten Machtvorstellung ersetzt werden soll, weil dann erneut eine Zweiteilung zwischen Gläubiger und Nicht-Gläubiger das Reden unmöglich machen würde.

Die Kunst des Redens setzt also die Kunst des Schweigens, sprich das aktive Zuhören, voraus. Es deutet auf etwas hin, was Menschen bewegen kann und auch soll. Denn solch eine Aussprache bedingt die Freiheit des Mitreden-Könnens, so dass die Einseitigkeit des Redners gegenüber seinem Zuhörern jederzeit aufgehoben werden kann. Nicht umsonst meinte darum Adorno, 'jemand der sich nicht unterbrechen lassen will, neigt zur Diktatur.'

Das fordernde Etwas

Das bewegende Etwas in einer Ansprache wurde von Kant zum Inbegriff eines 'affezierbaren Bewusstsein'. Es besagt, das Bewusstsein ist auf eine bestimmte Gesetzgebung hinarbeitend, ansprechbar. Doch wie es um die Belange der Menschheit besteht, das wäre noch entscheidender zu erfahren. Darum handelt es sich um teilweise einer Norm, teilweise eines ethischen Anspruches, und darum um etwas weitaus problematischer als was noch analysierbar und darum kritisierbar wäre. Genauso spielen sich darin Macht und Ohnmacht, wenn das Reden bzw. die Diskussion nicht über das bloße Fordern bzw. den Menschen etwas abverlangen zu wollen, und darum über ein einseitiges Bestimmen-wollen, hinausging.

Das Fordern enthält ferner die nachteilige Bedingung keine Selbstanerkennung der Bedingung unter welcher die Forderung erfüllbar sei, anzuerkennen. Es kann also zur rücksichtslosen Forderung kommen, was aber im Fall eines Verlangens der Arbeiter, vertreten durch ihre Gewerkschaft, nach mehr Gehalt durchaus seine Berechtigung haben kann. Denn ihr Gegenüber, die Arbeitgeber bzw. Herrschaft, stellt sich nicht nur oftmals taub wenn solche Forderungen gestellt werden, sondern sie hat die Kunst des Schweigens aus dem Inbegriff des 'industriellen Dialogs' verbannt weil sie einseitig die Arbeitsbedingungen unabhängig von den Arbeitnehmern bestimmen will.

Bei dem Verlangen aber auch Anspruch auf eine 'gerechte' Forderung, wird die Bedingung der Anerkennung erkennbar. Denn was ist gerecht in diesem Falle? Eine Antwort wäre die andere Seite fühlt sich nicht von der Forderung überfordert, doch das Maß dazu kann nicht alleine von Statistiken und hervorgebrachten Argumenten abhängig gemacht werden. Denn hier kommt hinzu die praktische Urteilskraft, die allerdings in der Situation einer Verhandlung zwischen Arbeitern und Management eine politische Urteilskraft sein muss. Da diese wiederum mit einer wünschenswerten Richtung die die gesamte gesellschaftliche Entwicklung wiedergibt, zusammen hängt, dürfte eine Ableitung davon zu keiner Übervereinfachung der Wirklichkeit verleiten. Somit stimmt dann nicht mehr was wenn sich nur noch Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenüber stehen, und der Kapitalismus das ganze ungerechte System bestimmt. Somit wird zu zeigen sein wie eine bestimmte Befangenheit zu einer Sprachregelung verleitet ab dann die Falle zuschnappt. Der Ausdruck davon ist die Tautologie oder der verzweifelte Versuch zu einer redlichen Definition zu kommen. Doch problematischer als das ist Fichtes 'Ich bin Ich' der damit beides zugleich meint: Identität und den Akt der Identifizierung mit nicht nur einem beliebigen, sondern mit einem absoluten Staat.

Eine lange Zeit wurde es versucht übers bloße Fordern hinaus zu gelangen, doch im Widerspruch dazu hieß es das würde wiederum den Arbeitenden allzu viel abverlangen. Damit wurde der Rekurs auf die Einseitigkeit eingeleitet. Es entstand eine Kritik am bloßen Abverlangen wenngleich auf anderen Ebenen doch noch etwas gefordert wurde. Die Schichten an Erfahrungen richteten sich laut Bloch nach dem Möglichen, doch nicht im Sinne von Kant. Die materielle Lehre von Sein im Dasein war eine Frage ob sie dazu verhalf über ein einseitiges Bestimmen hinausgehen zu können. Damit verbunden war der Anspruch aufs Ausarbeitens des Widerspruchs zwischen Verlangen nach weiteren Entfaltungsmöglichkeiten und wiederholtem Erfahren abgeblockter Möglichkeiten. Der nötige philosophische Ansatz zwecks dem Ausarbeiten fehlte allerdings die Triebkraft da viele Menschen einfach darauf verzichteten. Denn mit der Zeit verloren sie nicht nur die Mut sondern Möglichkeiten der Verständigungen wurden einfach nicht mehr aufgegriffen, weil sie nicht länger zuhören konnten. Ab einem Moment ist der Anspruch auf Konsistenz einer Idee für sie nicht mehr nachvollziehbar. Kant stellte bereits zu seiner Enttäuschung fest, dass „ich denke, ich kann überall hin meine Vorstellung begleiten“ in Wirklichkeit nicht gelang. Ab einem entscheidenden Moment, spätestens beim Scheitern am strukturellen Widerspruch, ging das nicht mehr. Ab dann gingen die Wissenschaft und die Menschen getrennte Wege.

Eine Gesellschaft die geneigt ist zu simplen Lösungen zu greifen statt erstmals die Lösungsstrategie angesichts der Komplexität der Probleme zu durchdenken, wird das Maß an Objektivität in ihren Entscheidungsvorgängen nicht erfüllen. Ein besonderer Mangel tritt dann in Entscheidung. Es fehlt an Rücksichtsnahme auf andere Menschen, insbesondere auf die nicht anwesenden, wobei neben den heute Lebenden ebenso die noch nicht geborenen hinzu kommen. Schließlich handelt es sich bei allen Entscheidungen um was zukünftige Generationen als 'Erbschaft dieser Zeit', so eine Formulierung Blochs, aufgedrückt bekommen.

Schweigen mangels Empathie und Reden ohne Kompromisse

Sobald einer Kultur die wichtige Empathie für andere Menschen abhanden gekommen ist, oder noch nie in ihr im ausreichende Maße entwickelt wurde, fehlt das wichtige Einfühlungsvermögen als auch die Möglichkeit des Vortasten um mögliche Konsequenzen von Entscheidung zu antizipieren. Ob nun das Einfühlungsvermögen eine kulturelle Transgression oder Transzendenz ist, das ändert nichts an der Tatsache, dass das Einfühlen eine wichtige Voraussetzung für die Verständigung mit anderen Menschen ist. Das ist umso wichtiger wenn Menschen ein anderes Weltbild bzw. soziales Modell vertreten, und darum einen besonderen Sprachkodex zwecks Verständigung und Vermittlung erforderlich machen. Interessanterweise enthält jede Kultur diese Möglichkeit, folglich würde die Zerstörung der kulturellen Vielfalt zugunsten von nur einer globalen Kultur eine Rückständigkeit in der Kommunikation bewirken.

Die Maxime, sprachliche und sonstige Schwierigkeiten vermeiden zu wollen, verleitet Menschen die in einer besonderen Gesellschaft sozialisiert wurden, dazu den Fremden oder den 'Anderen' zu umgehen. Es verleitet zum automatischen Ausschluss nicht aus unbedingt xenophobischen Gründen, sondern lediglich weil die Verständigung einfach zu anstrengend ist, will man über simple Fragen wie steht es ums Wetter, woher kommst Du, was ist Dein Name hinausgehen. Anscheinend will eine wichtige Voraussetzung für eine weitergehende Kommunikation gelingen, und zwar dass der Vorgang reversibel gestaltbar ist. Das beinhaltet zugleich die Möglichkeit sich in den Standpunkt des anderen hinein versetzen zu können, um nicht nur vom eigenen auszugehen, wenn Dinge verstanden und beurteilt werden sollen. Oft wird das Erarbeiten einer eigenen kulturellen Synthesis wichtig für einen redlichen Umgang mit dem Verständigungsmodell einfach durch gesellschaftliche Normen ersetzt. Jemand habe dann nur zu sein, wie anscheinend von der Gesellschaft verlangt und das ohne einen Raum für den Widerspruch zu geben.

Im Setzen solcher Normen erweist sich eine stark durch den Fremden verunsicherte Gesellschaft als äußerst rigide und verhindert das der Kommunikationsvorgang reversibel ist. Es wird nur einseitig etwas verlangt ohne auf den anderen einzugehen. Hinzu kommt noch eine besondere Aggressivität, so bald nicht etwas sofort unmittelbar zugänglich ist. Meistens wirkt alles so anstrengend weil die Vermittlung ebenso abgelehnt wird. Aber über den selber zu gestalteten Zusammenhang zwischen Lebensweise und Erwartungshorizont wird zu selten nachgedacht, obwohl das zur Beschränkung der Verständigungsmöglichkeit beiträgt. Es können keine entscheidende Impulse zur Überbrückung von Klüften die sich im Verlaufe einer nicht gelingenden Verständigung auftun, gegeben werden. Oft wird hier von einer Dialektik zwischen Vertrauen und Verstehen gesprochen doch gemeint ist auch eine Energie-Übertragung mit der der eine dem anderen mitteilt, es wird zugehört und noch immer der Versuch unternommen den anderen zu verstehen. Darum ist von Interesse dass Hegel die Ich-Findung als Anstrengung des Begriffes bezeichnete, das aber nicht auf den Kommunikationsprozess mit dem anderen übertrug, insofern jeder sich im Gespräch mit den anderen wiederfinden will, und das ohne den anderen auszuschließen. Stattdessen kommt es Mangels an positiver Energie-Übertragung sofort zum Urteil und zur Abgrenzung. Es endet dann in einer vollkommenen Blockade oder Ende ab dann das Reden miteinander anscheinend keinen Sinn mehr macht.

Interessanterweise entstand ein Streit zwischen Freud und Jung als es darum ging wie man sich am ehesten verständigen könne. Jung riet Freud, will der sich mit einem deutschen Publikum verständigen, müsse er seinen Vortrag schmackhaft machen. Freud im Unterschied zu Jung gab aber nie nach. Er war Meinung, würde man nur einen Begriff verändern weil das Publikum der Meinung sei das würde alles verkomplizieren, gäbe man den ganzen theoretischen Zusammenhang auf. Dann aber mache es keinen Sinn mehr den Vortrag zu halten. Hinzu kam das Jungs Reden und Thesen obwohl viel komplexer, weil er sein Nicht Wissen mystifiziert, eher vom Publikum angenommen wurde als Freuds klare Sprache in der er sein Nicht Wissen hervor hebt. Somit kann gefragt werden welch unterschiedliche Erwartungen weckten Freud und Jung? Bei Jung besteht durchaus die Möglichkeit, dass unter den Zuhörern keiner den Anspruch erhebt alles wirklich zu verstehen. Das kommt daher eben weil beim esoterischen Wissen, insbesondere wenn mit einem starken Hang zur Mystifikation vorgetragen, eine Schutzhülle gegenüber allzu neugierigen Fragen bildet. Freud legt dagegen ganz direkt Probleme und Fragen offen. Er zeigt insbesondere Probleme auf die er selbst noch nicht hat lösen können und wo er meint ein Philosoph oder jemand anders müsse da weiter machen weil ihm das Wissen dazu fehlt. Während also Jung eine Erklärung für alles anbietet, zeigt sich Freud ganz bescheiden und ehrlich, also als jemand der nicht alles weiß.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage warum der Versuch einer Klärung der Verständigungsschwierigkeiten oftmals auf solch eine große Ungeduld stößt? Einher geht damit eine bestimmten Aggressivität gegenüber einer anscheinend anspruchsvolleren Sprache. Es handelt sich dabei eine besondere Ungeduld. Sie ist keine revolutionäre die das Wissen historisch weiter bringt, sondern eine äußerst reaktionäre, die nichts wissen will aber sofort eine konkrete Lösung verlangt. Deshalb neigt sie zwecks einer einfachen Erklärung auf banale Dinge zurückzugreifen, um dann doch nur bei Kaffee und Kuchen zu landen. Geschickt werden mittels einer Trivialisierung die weitaus ernsteren Gründe für tiefere menschliche Konflikte umgangen. Außer dem üblichen politischen Streit am Sonntag (siehe James Joyces Beschreibung im Portrait eines jungen Menschen als Künstler) herrscht bloß ein peinliches Schweigen. Letzteres ist keine Illusion bzw. Erscheinung, sondern das wodurch die nicht vorhandene Sprache sich hervorhebt. Scheinbar kann nur über solche Dinge gesprochen werden die ohne substanzieller Konsequenz für irgend der Anwesenheit ist weil alles auf einer Nicht-Teilnahme beruht.

Wenn der Grund für die Inkonsequenz genauer betrachtet wird, ergibt sich daraus eine mögliche Deutung der Nicht-Teilnahme an der gesellschaftlichen Entwicklung. Mangels eines Selbst das innerhalb einer Sprache erfahrbar wäre, geraten Menschen auf Grund der nicht vorhandenen Sprache in den Widerspruch zum Anspruch auf Partizipation oder Teilnahme. Als Nicht-Teilnehmer finden sie dann keinen Zugang mehr zur Gestaltungsmöglichkeit gesellschaftlicher Entwicklungen. Das beginnt bereits im Unterricht wenn ein Kind statt Fragen zu stellen, also am Lernvorgang zu partizipieren, einfach aus Angst vor dem Lachen der anderen wegen einem gemachten Fehler, schweigt.

Beides, die Differenz zwischen Freud und Jung, und die aufgestaute Ungeduld die in einer Nicht Sprache mündet, fördern reaktionäre Tendenzen die sich vor allem in symbolhaften Zusammenhängen äußern, und dementsprechend sich behaupten wollen. Dieser Trieb hin zu einer Symbol-Sprache nährt sich aus der Verzweiflung heraus eben weil angeblich keine authentische Verständigung erfahrbar ist. Die ganze Gesellschaft sei 'korrupt'. Viele Versuche sind wegen solch einer negativen Verallgemeinerung gescheitert ohne klug daraus zu werden.

Bloch meint solch eine tiefe Enttäuschung, zumal eine die in Verzweiflung umschlägt, entstünde erst dann, wenn nach unbegründeten Hoffnungen gehandelt wird und darum aus dem Scheitern niemals gelernt werden kann weil alles zunichte gemacht wurde.

 

5 Hatto Fischer (2005) Gespräche mit dem Henker von Kazimierz Moczarski Athen. Poiein kai Prattein http://www.poieinkaiprattein.org/europe/eu-member-states/deutschland-germany/gespraeche-mit-dem-henker-von-kazimierz-moczarski/

6 The marketplace of voices by Waqas Khwaja Athen: Poiein kai Prattein: http://poieinkaiprattein.org/international/india/the-marketplace-of-voices-by-waqas-khwaja/

7 In dieser Hinsicht gibt es allerdings etliche Bemühungen eine alle Generationen übergreifende Form des Dialogs zu entwickeln – siehe Bemühungen der Grünen im Bundestag: "Großbaustelle demografischer Wandel", mit folgenden Bericht unter http://www.gruene-bundestag.de/themen/demografischer-wandel/grossbaustelle-demografischer-wandel_ID_4392391.html. Ferner die Arbeiten von Volker Amrhein unter http://www.generationendialog.de

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