Ποιειν Και Πραττειν - create and do

Eine besondere Art des Erinnerns

Freud gab mit seinem Wunderblock einen guten Metaphor für die Art wie Menschen ein kurzfristiges und ein langfristiges Gedächtnis haben. Ein Kratzer an der Oberfläche des Wunderblocks kann jederzeit beseitigt werden, indem diese Folie von der darunter liegenden Wachsplatte gehoben wird. Doch der Kratzer selber bleibt im Wachs bestehen. Dies nannte Freud das langfristige Gedächtnis. Dem fügte er noch eine weitere Bedingung hinzu als er darauf aufmerksam machte daß wir nur Dinge erfahren und im Gedächtnis behalten, wenn sie mit unseren Gefühlen übereinstimmen. Das Problem besteht diese Gefühle können nicht erlebt und darum auch nicht erinnert werden, solange wir im System leben. Unter System ist ein unter Zwängen stehendes Bewusstsein zu verstehen. Folglich können die aufsteigende Gefühle nichts in Bewusstsein dringen weil sie wie Seifenblasen an der unteren Seite eines Topfes als Inbegriff des Bewusstseins zerplatzen. Der Mensch muss also aus dem System hinaus- und in das aufsteigende Gefühl hinein treten, um daraus ein erinnerbares Erlebnis machen zu können. Da dies ein fortlaufendes Hinaustreten bedarf, ergibt sich daraus die Erinnerungspur.

Ein gutes Beispiel für diesen Unterschied zwischen dem Leben in einem System und dem Nachgehen des Neuen durch eine sich entwickelnde Erinnerungspur ist die Ankunft in einer fremden Stadt. Es werden Merkmale notiert sobald man den Bahnhof verlassen hat, um ja später den Weg zurückzufinden. Diese erhöhte Aufmerksamkeit für was einen umgibt, obwohl eine fremde Welt, verdeutlicht den Unterschied insofern im System sein ein Leben nach Gewohnheiten gleicht. Sobald einer mit dem Weg vertraut genug ist, kann er sogar in der Straßenbahn kurz einschlafen oder ein Buch lesen weil doch vertraut genug mit der Strecke um rechtzeitig zu wissen wann die richtige Station zum rechtzeitigen Aussteigen kommt. Der Fremde schaut wiederholt auf die Karte, versucht etwas draußen zu erkennen und verliert sich oftmals genug in einer Verwunderung warum nichts familiäres auftaucht wodurch eine Orientierung gegeben wäre.

Dieser Hinweis von Freud kann als Voraussetzung fürs differenzierte Denken verstanden werden. Ohne Erinnerungen wird jede Betrachtung eines Geschehens oder eines Menschen einseitig und oberflächlich bleiben. Erst mit der Zeit vertieft sich das Verstehen der Materie und des Menschen. Folglich setzt jede bewusste Wahrnehmung ein Arbeiten mit dem Gedächtnis voraus.

^ Top

« Die innere Reflexion des sozialen Seienden | Schreiben als Handlung »