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Rezeption Heidegger 4.Mai 1984

Eugen: Rezeption Heideggers in der Sowjet Union und Polen

Protokoll der 'fliegenden Universität' vom 4.Mai 1984

 

Eugen

Es ist für mich ein schweres Gewicht, das ich heute Abend zu tragen habe. Tagsüber arbeite ich in einem Garten. Da muss ich manchmal Dinge, die über 200 Kilo wiegen, tragen. Vergleichsweise ist das leichter als was ich jetzt zu sagen habe.

Mein Deutsch ist viel zu niedrig an Niveau und dabei handelt es sich ganz und gar um ein sprachliches Thema.

Ich bin ein bescheidener Übersetzer der Schriften Heideggers. Ich begann damit indem ich einige Proben machte. Zwei Arbeiten folgten daraus: Heideggers Brief „Über den Humanismus“ und „Der Satz von dem Grund“. Selbstverständlich machte ich mich später an 'Sein und Zeit', aber nur Fragmente davon und an Heideggers Hölderlin Interpretation.

Ich brauchte diese Stückchen für meine in 1972 begonnene Magister-Arbeit. Thema war die 'Philosophie Heideggers'. Später wählte ich für meine Doktorarbeit das Thema: 'Kunst und Philosophie bei Heidegger'. Ich konnte niemals meine Arbeit verteidigen. Ehe es dazu kam, erhielt ich die Ausreisegenehmigung und den Ratschlag der Behörde dem auch zu folgen. Ich ging nach Polen.

Ich möchte meine Arbeit umarbeiten – dieser Text hatte einen großen Einfluss auf meinen Chef – ein großer Philosoph in Moskau. Er forderte mich sehr kritisch heraus, durchstrich vieler meiner Sätze und verlangte eine zweite Erläuterung meinerseits.

Die Übersetzung Heideggers ist Teil meiner eigenen Historie geworden. Es ist sehr schwer vom komplizierten Deutsch in eine slawische Sprache, ins Russische, zu übersetzen. Ich muss dabei 'interpretieren' und deshalb wie ein Historiker arbeiten.

Adam

Wie hast Du mit Heidegger angefangen?

Eugen

Rein, absolut zufällig. Philosophie haust bei uns in Moskau in einem alten Gebäude. Bei der Magisterprüfung müssen wir ein Thema wählen. Ich ging also dort hin und zwar am letzten Tag. Die erste Tür des einen Professors war zu, also ging ich zur zweiten. Die war auch zu. Bei der Dritten fand ich jemand: „Gehen wir ins Seminar und reden wir über Philosophie!“ Ich blieb dort für eine halbe Stunde. Er wollte über die 'Philosophie in Jugoslawien' reden. Nach einer Weile merkte ich, dass das mich nicht interessieren würde und ich ging wieder. Erst bei der sechsten oder siebten Tür sah ich einen Zettel mit Vorschlag zur Prüfung: 'Studien weltlicher Philosophen – kleiner Übersetzungsarbeiten ebenfalls möglich.' Ich lass darunter Heidegger, „Brief über den Humanismus“. Ich erinnerte mich an meine Deutschlehrerin und dem musikalischen Klang der deutschen Sprache. Ich entschloss mich und begann 3 Monate lang Tag und Nacht daran zu arbeiten.

Adam

Ein Schüler von George Lukacs, Meszaloes ging in 1944 einmal in einen Buchladen nachdem Ungarn befreit war und suchte im Laden das billigste Buch, welches ihn gleichzeitig interessieren könnte. Er fand Lukacs 'Die Zerstörung der Vernunft'...

Eugen

Ich habe hier eine kurze Skizze von vier Thesen – auf polnisch – die sich mit folgender Frage befasst: Welche Situation besteht mit der Forschung Heideggers in Polen und der Sowjet Union - vielleicht nimmt folgendes einen breiten Aspekt davon ein:

These 1:

Einfluss des Denkens Heideggers auf modernes philosophischen Denken ist groß und klar und das stimmt – natürlich behaupten auch einige dieser Einfluss sei negativ, aber immerhin, dieser Einfluss ist vorhanden, hat großes Gewicht.

Das große Gewicht von Heidegger erklärt sich aus der metaphysischen Tradition, in die er steht. Proben Heideggers ergeben, dass unser metaphsisches, im Hintergrund rationalistisches Denken und ja Leben – der probierte Anfang und Tendenzen des metaphysischen Denkens – das ist für uns ganz einfach und natürlich, dieses metaphysische Denken.

Heidegger zeigte, dass dieses metaphysische Denken und Tätigkeit seine Anfänge und konkrete Entwicklung hat.

Besonders in den 20ziger Jahren kommen sehr viel junge Deutsche zu Heidegger. Sie suchen bei ihm neue Aspekte. Sie sagten damals, dass sei eine 'Lebensphilosophie' – sie suchten neue, nicht akademische Erläuterungen – diese Verneinung des Theoretisierens verbindet sie. Sie wollen mit Heidegger zurück zum wahren Ursprung. Mit Heidegger entwickeln sie einen Protest gegen Positivismus und dem 'scharfen Rationalismus'.

These 2:

Sprache Heideggers sehr eng gebunden an sein Denken – hier möchte ich fragen für Leute, die sagen, was Heidegger schreibt, ist kein Deutsch – ich möchte diese Leute fragen: können wir Philosophen verbieten für ihre Werke ganze Sprache, Wortschatz entwickeln zu wollen? Der ganze Umfang der Sprache – durch den wir imstande sind zum Anfang zu gehen – ist wichtig. Philosophen benutzen nicht nur die moderne Sprache – sondern alles wie Sprache (d.h. Was Philosophen als Sprache betrachten.)

These 3:

Philosophie Heideggers ist eine die sich sehr viel mit der Kunst beschäftigt, und so findet er in der Kunst gemeinsame, bindende Momente betreffs dem, was zu denken ist. Sie bleibt zwar als Philosophie das Bewahrende Etwas – sie baut aber keine neuen System über die Wirklichkeit und Denken auf. Heideggers Philosophie bleibt näher dem 'Wesen des Ursprungs' als das 'Sein der Wahrheit'. Es ist ein Traum der Philosophie seit Anfang an: Heidegger versucht diesen Traum zu realisieren. Ich will hier ein Beispiel geben: für Goethe sind Kunst und Philosophie zwei verschiedene, voneinander getrennte Garten; sie sind auf unterschiedlichen Grundlagen aufgebaut – Heidegger probiert dagegen noch tiefer zu gehen – am tiefsten ist der 'Grund', also da, wo diese verschiedenen Gärten ihren gemeinsamen Grund haben.

These 4:

Suche Information in Bezug auf Heidegger – zu seiner Situation in 1933 – das war ein sehr trauriges Jahr für einen Historiker Heideggers – er war damals für 11 Monate Mitglied der nationalsozialistischen Partei – er war ein deutscher Genie und dieser Schritt war nicht zufällig zu jenem Zeitpunkt. Er wollte in diesem Jahr sein Geschick mit dem Volk teilen. Er wurde Rektor der Freiburger Universität. Er übernahm damit administrative Funktionen, doch war sehr von der Realität getrennt. Natürlich lass ich Adornos Kritik an Heidegger in seinem Buch 'Jargon der Eigentlichkeit'. Es ist eine sehr glänzende, brillante Kritik, aber ich glaubte, wir müssen hier differenzieren Heidegger als konkreter Mensch in 1933 und Heidegger als großer Philosoph, der sehr viel Einfluss aufs Denken hatte. Warum urteilen wir nicht Einstein entsprechender Weise – er hat ja auch seinen Finger bei der Entwicklung der Atombombe dabei gehabt.

 

Jannis (zu Hatto)

Verstehst Du das?

Adam

Habermas sagte, Adorno hatte niemals Heidegger gelesen.

Eugen

Adornos Kritik ist zum Teil eine menschliche Reaktion – die im Streit zwischen Persönlichkeiten immer zu Tage treten. Das war auch bei Husserl der Fall.

Verurteilung Heideggers ist besonders auf deutschem Boden sehr scharf. Wir sind aber immer klüger danach.

Adam

Warum zwei Gärten – warum nicht die dritte Sache: Politik! Mich interessiert alles – warum nicht Heidegger auf sein politisches Denken hin befragen und beurteilen?

Eugen

Natürlich – ich gebrauche für mein Ziel diese zwei Gärten – weil meine Bereiche – hier im sehr gemeinsamen Sinne – beide berühren: im Garten Philosophie werden eher allgemeine Aspekte wie Gesellschaft usw. berührt, während im Garten Kunst kommt zur Sprache Politik, die Kunst in unserem Leben. Ich bin an der ganzen Poetik in diesen Gärten interessiert.

Hatto

Was aber mit dem Unterschied zwischen der Existenz der Dinge und einer in der Metaphysik der Sprache behaupteten Seinsweise?

Eugen

Ich will hier kein theoretisches Modell entwickeln, nur zeigen, daß bei Heidegger die Auffassung besteht, dass da ein gemeinsamer Geist existiert und der bedeutet andere Dimensionen – wir sind als Menschen sehr begrenzt in unserem Gärten, vor allem die Spezialisten.

Heidegger geht zurück zum Ursprung.

Ursprünge der Philosophie sind die schönen, alten philosophischen Texte der griechischen Antike und Kulturen der Vergangenheit. Heidegger sucht nach Lösungen gemeinsamer Probleme – Fehler bei Leuten die bei Heidegger auf konkrete Fragen konkrete Antworten bekommen wollen – viele zog es erst nach Marburg hin zu Heidegger, um später völlig enttäuscht sich von ihm abzuwenden.

Hatto

Du gibst da eine psychologische Erklärung für die Rezeption von Heidegger und nicht den Grund für die Ablehnung seiner Philosophie an. Aber was war z.B. der Fall, wenn gemeinsamer 'Geist' der damaligen Zeit die des 'Faschismus' war und was passierte mit denjenigen, die diese Gemeinsamkeit bestritten, nicht wollten? Wiederum, Heidegger ging nicht auf eine gemeinsame Sprache ein. Vielmehr, endete 'Sein und Zeit' damit, dass er von Rüstung für den Streit, den er vom Zaune brechen möchte, sprach. Solch eine Sprache ist 'verräterisch' betreff der wahren Intention. Heideggers 'Sein und Zeit' ist außerdem ein immanenter Text der 'Deutschen Ideologie' wie Marx und Heine das verstehen. Heidegger unterscheidet die großen Männer der Geschichte – er spricht direkt vom 'Führer' – von denjenigen, die anscheinend in die 'Masse' hinein fliehen, ihr 'Ich' leugnen und statt dessen 'man sagt' benutzen, um ihre Gedanken ohne verantwortlich dafür zu sein, zu erörtern. Der Text ist auch immanent eine der Verwaltung. So ist der Begriff 'Bezirk' ganz entscheidend in Heideggers Aussagen zur Wahrnehmungsmöglichkeit in der Gesellschaft. Jene ist ein Raum der Verwaltung, innerhalb der der Unterschied zwischen 'Vorhandenheit', die bloße Existenz der Dinge, und der 'Zuhandenheit', die politisch wahrgenommene Angelegenheit (ein administrativer Akt im Sinne des Zu-kenntnis-genommene Etwas und darum mit einem gültigen Stempel versehen) gezogen wird. Wenn bedacht wird, dass die Inkenntnisnahme von etwas Bestimmten die Existenz oder Nicht-Existenz eines Menschen im Staate bedeutet, dann hat solch eine Reflexion enorm viel mit 'Machtpolitik' hinter den Kulissen zu tun. 'Korridore der Macht' greift da zu kurz. Hinzu kommt bei Heidegger eine psychologische Interpretation der Sprache: wer 'mit' sagt, lügt für Heidegger – was enthält dann der Begriff 'Mitbestimmung' – die Lüge par excellance?

Eugen

Denke nicht der Begriff 'Bezirk' ist wichtig für Heidegger.

Bernward

Ich möchte zu den Thesen momentan nichts sagen, aber mich interessiert die Trennung zwischen 'Mensch' und 'Philosophie'.

Eugen

Das kann nicht absolut voneinander getrennt werden.

Bernward

Ich möchte aber das ansprechen, weil das der Fall bei vielen Philosophen der Fall ist.

Eugen

Heidegger beging kein Verbrechen – er war Administrator zwangsweise geworden, obwohl er keiner ist – er befand sich damals in der normal-menschlichen Situation – er war damals ohne Wahlmöglichkeiten und deshalb gezwungen das Amt des Rektors zu übernehmen.

Hatto

Ich denke jetzt assoziativ an Solschenitzyns Beschreibung des Verwaltungsmenschen, den er auf der Krebsstation wieder begegnet; der Mann hatte ihn unter Stalins Herrschaft ins Lager geschickt. Mit anderen Worten, Verwaltungsmenschen haben ihre eigene Verantwortung. Albert Camus ging so weit und sagte, hätte jede Sekretärin sich geweigert Briefe, den den Befehl der Juden zu vernichten, bedeuten, zu tippen, wäre einiges unmöglich gewesen. Nein, bei Heidegger handelt es sich um typisch deutsches Problem, am ehesten mit dem Begriff 'Aura' zu umschreiben: Leute wollen gerne die große Philosophie und doch sind sie nur Kleinbürger. Vor allem die Verneinung der Wissenschaft – Heideggers Aussage, die Wissenschaften denken nicht, aber auch in seiner Zeit als Rektor wurden jüdische Wissenschaftler und Gelehrte aus der Universität verbannt – ging einher mit einer neuen subjektiven Sprache. Die subjektive, gleich 'deutsche' Sprache verfehlt die universelle Bedeutung epistemologischer Orientierung. Sie will nur noch unter sich sein. Das endet im 'Monolog'.

Eugen

Heidegger lädt ein zum 'Mitdenken' – wir wissen seine Philosophie ist keine rationalistische Philosophie, die aus einem bloßen Kategorien Apparat bestünde – er hat durchaus eine epistemologische Orientierung, aber das ist nicht nur Philosophie was er da betreibt: er ist eine sehr starke, geistige Brühe für Intellektuelle und entwenden wollen sie von diesem Gericht etwas probieren oder nicht. Auf jeden Fall erweitert das ihren Horizont, insbesondere wenn sie merken nach einer Weile können sie in konkreten Bereichen etwas entwickeln. Heidegger ist ein gutes Prolegomena zur geistigen Arbeit.

Adam

Ich kenne Leute, das das jetzt erst essen wollen – vor allem kenne ich Leute der Budapester Schule, die früher sehr politisch interessiert gewesen waren und jetzt auf einmal sich Heidegger zuwenden – warum jetzt?

Eugen

Ich erwähnte Dir gegenüber zuvor, dass in Latein Amerika, Kolumbien, ja auch in Japan 'Sein und Zeit' eine wichtige Rolle zu spielen beginnt.

Adam

Aber wenn 'Praxis'-Philosophen übergehen zum 'Seinsphilosophen Heidegger', dann wundere ich mich schon. Das ist womöglich vergleichsweise auch der Fall bei Bahro, wenn er sich der Lebenskommune zuwendet und sagt was wir brauchen ist ein neuer Benediktertum – die Leute, meint er, brauchen ein 'Ora Laboratorium' – einen Bezug auf sich selbst und nicht zuerst die Praxis, sondern das 'Sein' – aufs Subjekt bezogen sein hat etwas emanzipatorisches – in seiner Abgrenzung der Kommune von anderen Lebensmöglichkeiten wirkt Bahro auf mich bereits wieder als zu stalinistisch, aber er gibt doch ein Plädoyer zum Besten: wir sollten erstmals diesen Prozess durchmachen und dann sehen. Jetzt wo die Politik nicht mehr so aktuell ist, wird es zum Zeitgeist gehören sich erstmals darüber zu verständigen, was mit der 'Seinsfrage' zusammenhängt.

Eugen

Ich bin ein Spezialist, also Mehr als nur Interpretant der ideologischen Tendenz in meinem Land.

Adam

Aber hängt das nicht mit dem mythologischen-ritualisierten Aspekt den Heidegger sehr anspricht, zusammen?

Eugen

In Polen wo großer Einfluss der katholischen Ideologie vorhanden ist, haben viele Intellektuelle ein sehr kritisches Verhältnis zu Heidegger, vor allem wegen seines Versuches ein neues System im Verhältnis Mensch-Bewusstsein zu entwickeln – diese ontologischen Aspekte ärgern sehr theologische Denker.

In der DDR gibt es ein Buch über Heidegger, dass ihn wiederum als religiösen Denker beschreibt.

Alles ist sehr problematisch. Ich meine Heidegger hat das gewusst. Das ist eine Folge seines Standpunktes: 'Es kommt alles vom Wesen der Wahrheit' – er steht überall – sehr schwierig ihn einzuschätzen – deshalb ist es unmöglich zu sagen, ob oder nicht er ein religiöser Denker sei!

Adam

Spielt der 'Erlösergedanke' bei Heidegger eine Rolle?

Eugen

Warum nicht?

Adam

Mit fällt dabei auf – Angst spielt bei Kierkegaard eine große Rolle, wie bei Marx Prometheus, das Feuer, sehr wichtig ist neben der 'Tat' und bei Heidegger, was ist da der Fall? Ist es der Rückzug aus der Mythologie?

Eugen

Heidegger zeigt die Problematik unserer Endlichkeit und Wahlmöglichkeit auf – der quälende Mensch und sein Schicksal.

Adam

Herausgeworfenheit – das ist das erste Wort, was ich von Heidegger hörte, als er zum ersten Male diskutiert wurde.

Bernward

Du meinst 'Geworfenheit' – in die Situation geworfen!

Eugen

Ich empfinde die Sprache Heideggers als sehr sympathisch – ich bin kein Philologe, doch das Wort 'Geworfenheit' bildet ab einen komplexeren Prozess in Sequenz.

Bernward

Dieses Hineingeworfen-Werden ist sehr interessant. Das ist nämlich der Punkt, ab dann die Kirche sich zurückzieht – der Erlösungsgedanke, von dem Du vorher fragtest, Adam, ist nämlich für mich der Unterschied zwischen Machen und Abgeschnitten-Werden. Ich verstehe 'Geworfenheit' als eine Kategorie zwischen diesen beiden extremeren Möglichkeiten. Doch gebe ich gleichzeitig zu dieses Problem von 1933 verstehen zu können.

Hatto

Hier würde ich vorschlagen die Fragestellung zu Heideggers 'Sprachbildung' bzw. Verwendung bestimmter Begriffe zu analysieren und Gedanken dazu weiter zu entwickeln. Es bleibt nach vor eine Frage der Übersetzung seiner Texte in einer uns zugänglichen Sprache.

Eugen

Dazu gibt es archaische Stufen, alte Texte und Geschichten, die die Worte über die Jahrhunderte formten. Das ist eine Art 'Neologismus', wenn wir versuchen zu beschreiben wie Heidegger etwas zum Substantiven macht. Geworfenheit bedeutet im Russischen 'Wurf' – ich verstehe ein Wort im Kontext, worin es eine Bedeutung spielt und das ist weitmehr 'Wurf'.

Adam

Herausgeworfenheit – das erinnert an das Verlassen des Paradies oder auch an den Zustand nach Emigration.

Bernward

Genau das ist das Problem! Bei Niederlage des einzelnen ist er auf sich selbst zurückgeworfen. Produkt des Leidens des einzelnen ist das was über ihn in diesem Moment ergeht. Doch was ist dieser Moment, ein kollektives Gefühl für Einsamkeit? Oder was deutet sich darin an?

Adam

Ich glaube das ist eher wie Luft – wenn Du das hast, dann denkst Du nicht darüber nach – Bewusstsein kommt erst durch Individualisierung. Leute, die sich mit Heidegger in Ost Europa und sonst wo vielleicht auch beschäftigen, ziehen sich zurück. Es ist schwer dort alleine zu sein. Immer leben sie in der Gemeinsamkeit. Durch Heidegger erhalten sie die Gelegenheit damit zu brechen.

Bernward

Leben, was ist das, wenn Du das sagst?

Adam

Es besteht eine große Kluft zwischen der Weise wie Leute dort, in Osteuropa leben und hier – es ist mein Eindruck und kann nicht wissenschaftlich begründet werden und doch enthält es einen Kern Wahrheit. Leute sind dort viel weniger individualistisch – sie können höchstens alleine sein wenn sie ins Gefängnis gehen – es ist deshalb für jene Leute, die ein Verlangen nach Abstand von dieser ewigen Gemeinsamkeit haben, erfrischen womöglich Heidegger zu lesen.

Eugen

Für Leute die sich mit Heidegger beschäftigen existiert nicht das Problem wie das Volk denkt – sie sind höchstens 10 Leute, davon sind fünf Übersetzer, jetzt nur noch vier – für die meisten Intellektuellen ist Heidegger Symbol fürs andere Denken. Viele Physiker, zum Beispiel, ärgern isch über den ewigen Marxismus-Lenismus Bezug, weil diese dogmatische Position ihnen nicht fürs weitere Leben hilft!

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