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Ein roter Schimmer am Horizont

Einleitung

Franz Kuhn beschreibt einmal in einem Brief an seine Verwandtschaft in Deutschland, dass ein roter Schimmer am Horizont der Landschaft vor den Toren Pekings, gleich einem Staubwirbel, aufziehe. Wer die von ihm übersetzten Romane aus dem Chinesischen ins Deutsche kennt, erinnert das an eine auftauchende Schar an Reitern. Als er den Brief schrieb, war er damals noch an der deutschen Gesandschaft vor 1914 tätig.

Wie heute Beijing, und nicht Peking, aussieht, das wissen eher Diplomaten und Besucher dieses 'Landes der Mitte'. Auch vermitteln Fernsehbilder während des Marathon Laufes der Frauen 2015 Bilder einer hoch modernen Stadt mit vielen Bäumen und Erinnerungsspuren an den gelben Fluss. Es fragt sich allerdings was will China im 21zigsten Jahrhundert verwirklichen, wenn der Marathonlauf eher einen zentralen Staat unter der Obhut der kommunistischen Partei sichtbar macht?

Nach der Niederschlagung der studentischen Protestbewegung entstand etwas. Plötzlich verdunkelte sich der Horizont. Noch schlimmer wurde es als ehemalige Verfechter des Anspruches auf Demokratie sich vors Mikrophon stellten, um sich zu einer erfolgreichen Umerziehung zu bekennen. Sie würden jetzt ganz bescheiden verstehen dass die kommunistische Partei von China nur im guten Sinne handeln würde. Solche Bekenntnisse lassen an die Stalin Prozesse erinnern, weil auch dann ehemalige Oppositionelle zu solch Geständnissen bereit waren, insofern sie sich vollkommen der Partei unterwarfen. Artur Koestler in 'Sonnenfinsternis' beschrieb genau was mit jenen Kommunisten geschah die begonnen hatten den Wahrheitsanspruch der Partei in Zweifel zu ziehen.

In der Bevölkerung wächst angesichts solchen Entwicklungen das Staunen, aber auch die Unsicherheit, weil sie solche Wandlungen in ihren Ansichten der einst wichtigsten Wortfechter im  Interesse von Demokratie nicht verstehen bzw. nicht nachvollziehen können. Der Boden unter ihren Füssen beginnt erneut zu wanken.

Was ist noch Realität, was ist sprachliche Realität? Beides hat Ernst Bloch als die 'Sklavensprache', weil darin unfrei die wirklichen Gedanken zu äußern, bezeichnet. Das Schweigen resultiert aus Angst vor politischer Repression, aber auch aus Furcht um Verlust an Arbeit, Ansehen und Zuhause.

Die chinesischen Kommunisten legten schon immer einen großen Wert auf Umerziehung. Besondere Gefängnisse sind dazu eingerichtet unwillige Subjekte ideologisch umzustimmen, und benötigen sie eben dafür achtzehn Jahre oder noch mehr, diese Zeit wird ihnen zugestanden. Überhaupt spielt Zeit als kritischer Maßstab keine, oder vielmehr eine andere Rolle. Dennoch läuft auf Dauer solch eine massive Umerziehung ins Leere. Eine neue Unruhe im Inneren des Landes ist seit langem zu spüren.

Hatto Fischer

Berlin/Athen 30.8.2015

 

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