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Erster Streifzug durch Offenbach

                          

Eine Stadt wie Offenbach ist schwer von seiner offiziellen Seite her zu begreifen, weil wenig zugänglich. Die Stadt-Architektur spiegelt wieder ein Streben nach oben. Folglich wirken die herausragenden Hochhäuser eher befremdend gegenüber der unmittelbaren Umgebung die aus einer Mischung von Menschen besteht. Angesichts dieser lebendigen Vielfalt ist es um so verwunderlich, wenn der offizielle Teil nach Endmischung strebt und sich in neutralen oder noch schlimmer in nichts sagenden Gebäuden veräußert. Das kommt gleich einer Absage an das ansonsten beliebte Zwischenspiel des Kleinen mit dem Großen, und umgekehrt.

Natürlich würde ein Historiker oder Stadtschreiber die Geschichte von Offenbach anders darstellen, aber der scharfe Kontrast aus hier kalte Hochbauten und dort, unmittelbar in der Nähe, enge Seitengassen mit verspielten Plätzen zum Tummeln, besteht. Es kann als ein Scheitern des Versuches, alles neutralisieren zu wollen, gedeutet werden. Vor allem vermag diese zur Schau getragene Neutralität es nicht eine eigene Unentschlossenheit zu maskieren. Beim näheren Hinsehen schafft nämlich solch eine Stadtlandschaft es lediglich im negativen Sinne nicht typisch im Vergleich zu anderen deutschen Städte zu sein. Das sie gerade wegen den dort lebenden Menschen es nicht ist, offenbart um so mehr das Verfehlen solch einer offiziellen Architektur. Sie wirkt einfach befremdend auf ihre unmittelbare Umgebung.

        

Oftmals tastet sich solch eine Stadt im Dunkeln voran, und wird deshalb oft genug kalt von Entwicklungen erwischt, eben weil die Antizipation dafür ausblieb. Das mag daran liegen, dass die wichtigsten Themen der Stadt niemals im Gemeindesaal deutlich genug zur Sprache gebracht wurden. Überhaupt wer das offizielle Geschick einer Stadt bestimmt, das ist nicht so einfach auf einen ersten Streifzug zu erkennen. Angesichts dieses Versuches einer Endmischung zwischen dem Kleinen und dem Großen entsteht der Eindruck, allzu viel wird willkürlich klein gehalten, und den Ansprüchen des scheinbar Großen mehr Raum als nötig gegeben. Statt also eine lebendigen Dialektik zwischen klein und groß zuzulassen, stehen einfach da die nichts sagenden Hochhäuser. Vor allem bewirken sie eine verzerrte Wahrnehmung des Politischen, und verstärken damit eine Grundtendenz, insofern die meisten Menschen eh schon geneigt sind sich vom offiziellen, politischen Leben abzusondern.

All das mag die beim ersten Streifzug festgestellte Verwahrlosung erklären. Enzenberger deutet das als ein ersten Anzeichen von einem Bürgerkrieg-ähnlichen Zustand. Aber es sind nicht nur die dreckigen Straßen und der herumliegende Müll, die das unterstreichen, sondern ein Mangel an Ästhetik macht sich überall bemerkbar. Es stellt sich damit die Frage, inwiefern die Menschen überhaupt bereit sind, sich für ihre Stadt zu engagieren.

Als kritischer Maßstab gäbe die Frage nach dem zivilen Engagement Anlass genug das überdimensionale Etwas erneut zu bedenken, vor allem wenn an Offenbach als eine Stadt in Deutschland gedacht wird. Denn letzlich macht sich das Modell-hafte als Orientierung bemerkbar, selbst wenn nur eine sehr schlechte Kopie daraus entstanden ist. Falls der Stadt es nicht gelingt etwas eigenständiges dem entgegen zu setzen, kann sich Offenbach noch mehr wandeln als jetzt bereits der Fall. So käme es darauf an das bloße Nebeneinander als Eindruck nach einem ersten Streifzug durch Offenbach im Verhältnis zum insgesamten Deutschland-Bild weiter zu erforschen und zu reflekieren.

      

       Silhouetten von Gebäuden

Eine Stadtlandschaft, in der etwas offizielles alles andere überragt, besagt ein Machtwunsch, der alles andere überstimmen will, existiert. Es entsteht der Eindruck einer Trostlosigkeit die mit einer gewissen Lieblosigkeit einher geht, und was nicht durch Luxusautos für die Offiziellen zu verdrängen ist. Leider weicht aber meistens die Kritik am sozialen Konstrukt diesem Widerspruch aus. Insbesondere die Architekten schaffen es nicht zur Klärung der sozialen Frage beizutragen. Das ist der Regel nach dann der Fall, wenn es sich um Bautätigkeiten im Umfeld der offiziellen Macht handelt. Somit macht sich durch die Vorherrschaft überragender Hochhäuser etwas destruktives bemerkbar. Gleichzeitig macht die Leere der Plätze vor diesen Gebäuden evident dass das Lebendige sich nicht rührt, geschweige sich über die Hemmschwelle eigener Angst vor der Macht hinaus traut. So gehen den Straßen bedeutsame Interaktionen abhanden und darum weniger eine aufrichtige Orientierung vermitteln als vielmehr Irrwege zu sein scheinen.

Architektur strebt zwar angeblich nach Licht, will also hoch hinaus, doch die Glanzzeiten der 'Skyscrapers' sind längst vorbei. Als Irrtum erweist sich diese Architektur spätestens dann, wenn eine gewisse Orientierungslosigkeit in der Stadt um sich greift, und statt einer gemeinsamen Existenz, das getrennte Nebeneinander höchstens offiziell geduldet, aber inoffiziell stark bedrängt wird.

            

             Orientierung geben Straßenschildern

Das Schattenspiel in Offenbach kann anhand einer Unverbindlichkeit zwischen dem alten und dem neuen festgestellt werden.

        

         Diakonie

 

         

     Das neue Hochhaus

     

       Schild für den Platz der deutschen Einheit

Wenn auf dem Streifzug durch Offenbach plötzlich das Schild "Platz der Deutschen Einheit' gesichtet wird, dann erinnert das einen an die Ausstellung Alltag Einheit die im Mai 2015 im historischen Museum in Berlin eröffnet wurde. Es handelt sich dabei um einen völlig ideologisch belasteten Begriff des 'offiziellen Nationalismus', der in Deutschland seit der Wiedervereinigung vorherrscht. Inwiefern er nicht frei interpretierbar ist, hängt vieles von der offiziellen Erinnerungskultur ab. Allerdings gäbe es zum Einheitsbegriff einige philosophische Aspekte mit politischem Zündstoff. Kant liefertere bereits mit seinem Bezug auf die 'Einheit der Apperzeption' genügend Diskussionsstoff, um ins Grübeln darüber zu geraten, was er damit gemeint hat. Kant gab einen wichtigen Hinweis als er betonte, dass 'Begriffe ohne Anschauung blind' seien. Herkömmlich gesehen, mag das keiner so schnell verstehen, noch schlimmer ist aber was Hegel daraus machte daraus. Er folgerte, dass "ein Volk ohne Mythos blind sei".

Hegel legitimierte damit nicht nur eine offizielle Ideologie, sondern machte sich eines Mythosbegriffes zu nutze der stark an Vergil erinnert. Der Dichter von Rom meinte der Mythos sei eine wichtige Erinnerungshilfe für die Menschen, um zu wissen was wann zu tun sei. Das hiesse der Mythos kann durchaus in einem Ritual und zum Beispiel in einem Erntefest eingebunden sein. Vergil warnte zugleich sobald die Leute nicht länger wüßten, wann die Olivenbäume zu schneiden sind und wie wilde Pferde zu zähmen sind, dann würde das Römische Reich auseinander brechen und zugrunde gehen.

All das und noch mehr lässt Zweifel am abstrakten Einheitsbegriff aufkommen, besonders wenn in der Praxis nur der Einheitsbrei dabei heraus kommt. Sobald die Vielfalt an Menschen zugunsten einer Konformität mit der Einheit verwechseln. Interessanterweise versucht die Europäische Union gerade auf diesem doch schwierigen Territorium eine Einheit durch die Verschiedenheit ('unity through diversity') zu erzielen.  

Angesichts den Schach-spielenden Männern in einer Straße die an der Diakonie vorbeigeht, kann durchaus die Frage gestellt werden, aber was hält eine Gemeinde und noch mehr eine komplexe Gesellschaft zusammen?

 

 

                       

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