Ποιειν Και Πραττειν - create and do

Konzept

Identitäten Räume . Beziehungen . Gedächtnis . Körper

Ausstellungsprojekt zum Thema Identität mit StudentInnen und AbsolventInnen

der Klasse Prof. Azade Köker und eingeladenen Künstlern aus Halle, Berlin, Wien und Istanbul

Das Projekt bezieht sich auf zwei speziellen Orte; Löwenpalais und DGB- Haus im Wittenbergplatz. Diese Häuser haben gegensätzliche Inhalte inne. Das Thema Identitäten ist letztendlich selbst ein kompliziertes Thema.

Die Schwierigkeit lag daran, dass die ProjektbeteiligtInnen Ort- und auch Themenbezogend denken und damit künstlerisch operieren sollten. Daraus sind Anstöße für Diskussionen und Debatten geliefert worden. Die Diskussionsrunden über das Thema Identität haben großes Interesse bei den StudentInnen gefunden. Es ist kein Zufall, dass das Projekttitel Identitäten vom Anfang bis Ende ein Orientierungspunkt geblieben war, wenn man sich überlegt, dass die 25 ProjektteilnehmerInnen aus 10 unterschiedlichen Länder stammen. Die Offenheit gleichzeitig der Versuch kritischer Reflexion in Gesprächen und in der Arbeit waren ausschlaggebend. Wie kann jemand, der nur in seiner Kultur steckt sich öffnen? Ich wünschte mir, dass es dem Ausstellungsprojekt gelungen wird, individuelle Aussagen, Haltungen, Positionen von jeden Einzelnen sichtbar zu machen, die die Strukturen einer Kultur aufweisen. Bis der Realisierung der Arbeiten kam, fanden zahlreiche Sitzungen statt, wurden Experimente durchgeführt, Arbeitskonzepte durchdiskutiert, erweitet oder reduziert. Begriffe wie collective intelligence, kreative Ständigkeit, Einheit und Vielheit, Einung und aktive Unterscheidung, partikulare Identitäten, hybride und flüssige, wechselnde Identitäten, substantielle Identität, defensive Identität, multikulturalistische Identitätspolitik, Weltbürger usw.. wurden im Projektseminaren im Wintersemester 2001 thematisiert.

Wir wissen, dass Jede Art des Klischees und der Norm der Gesellschaft versucht, das Individuum einseitig sozial zuzuordnen und dadurch zu konformieren.

Identität als soziale Zugehörigkeit, Identität ohne Differenz (Unterschiedenheit durch Schöpfung, Bewegung), und Differenz ohne Identität (Sein, Ständigkeit und Wurzel) wird immer als Problem existieren.

Bei dieser Ausstellung sollten die KünstlerInnen den Versuch unternehmen, die Differenzen und die Identitäten aufzuzeigen, eine Verbindung zwischen Ständigkeit und der Bewegung als Differenz; sozusagen die Kreativität, also eine Brücke, das heißt eine unteilbare Einheit.

Wir sind in einer Gesellschaft in der die Identitäten einerseits in Vielfältigkeit wahrgenommen, andererseits klischeehaft definiert und abgearbeitet werden. Oberfläche gilt als eine einzige gesellschaftliche Realität. Es geht hier in diesem Auaatellungsprojekt darum, die Bedingungen für die eigene künstlerische Arbeit aus der Sichtbarkeit der Realität zu gewinnen. Die Kunst ist eine direkte Aussage und besitzt eigene Autonomie, obwohl sie am Ende vielleicht gezwungen wäre, nur noch genau dies darzustellen, dass dies so ist.

Prof. Azade Köker

Berlin, 12.09.02

 

LITERATUR

Kollektive Identität; Lutz Niethammer

Ein Plädoyer für die Intoleranz; Slvoj Zizek

Collective Intelligence; Pierre Lévy

Identität und Differenz; Werner Beierwaltes

Identität und Lebenszyklus; Erik H. Erikson

 

 

 

Prof. Azade Köker

 

Presseerklärung

 

Ich unterrichte an der Burg Giebichenstein Hochschule für Kunst und Design Halle. Dies ist mein fünftes Ausstellungsprojekt Meine Klasse hat bereits ein internationales Projekt zusammen mit Spanischen StudentInnen der Madrider Kunstfakultät realisiert. Es gab zwischen 1997-1998 vier Ausstellungen in Deutschland und in Spanien. Der Titel war Kunst als Reisegepäck.

 

Das zweite wichtige Projekt war Kunst als Immobilie. Dieses interdisziplinäre und ort- und themenbezogene Projekt wurde von 40 StudentInnen in einem verlassenen, zum Verkauf vorgesehenen Haus realisiert. Ziel war den Verlust der alten und vertrauten Lebensräumen und den Verlust der Identität zu thematisieren. Dies ist bis jetzt als das einzige umfangreiche künstlerische Projekt zum Thema des Verlusts der vertrautenLebensräumen in der ehemaligen DDR- Stadt Halle geblieben. Sicherlich könnte man im Projektkatalog dieses Projekts, vier Jahre nach der Ausstellung, die Auseinandersetzung mit der Identität der Räume studieren.

 

 

Die Idee für den Titel Identitäten kam erst, als ich von Herrn Starke zu einer Ausstellung im Löwenpalais eingeladen wurde. Unabhängig davon habe ich später vom DGB-Haus einen Termin für eine Klassenausstellung vereinbart.

 

 

Für das Projekt Identitäten hat man nicht einzelne Werke ausgesucht, sondern das Projekt wurde bei uns als ein Prozess verstanden, Austausch und Konfrontation standen im Mittelpunkt. TeilnehmerInnen des Projektes haben sich vorbereitet um von ihren Positionen her für dieses Projekt eine neue Arbeit herzustellen. Von der Her- bis zur Ausstellung der Arbeiten verging ein Jahr und es fanden zahlreiche Sitzungen statt, Experimente wurden durchgeführt, Arbeitskonzepte in der Gruppe durchdiskutiert, erweitert oder reduziert. Sie können in der Ausstellungsmappe einzelne Arbeitskonzepte lesen.

 

 

Mit dem Projektkonzept Identitäten hatte ich das Ziel gehabt, Gegensätzlichkeiten im Umkreis sichtbar zu machen. Wer ist wer? Wie funktionieren die Institutionen? Was passiert wenn die StudentInnen den Schulraum mit ihrer Arbeit vorläufig verlassen? Wer kann wem vertrauen und wie weit? Wie verhält man sich in unterschiedlichen Orten, die unterschiedliche Identitäten haben? Wer sind letztendlich die Rezipienten? Warum hatten die Vernissagebesucher im DGB-Haus die Arbeiten anders aufgenommen als der Ausstellungsbesucher im Löwenpalais. Diese widersprüchlichen Orte haben als Subthema zwangsläufig unsere Arbeiten beeinflusst.

 

 

Die Arbeiten im DGB-Haus orientieren sich eher an der Gesellschaft, Politik, Arbeit und markieren die Position des verlorenen Subjekts und seiner Lebensräume. Verlust der realen Räume.

 

Dieses Phänomen des Verschwindens erzeugt Zerstörung und Beunruhigung und löst die alten Identitäten auf. Es geht hier um die Kulturerosion.

 

 

Wir wissen, dass diese Deformation in der Gesellschaft eine Mutation der Identitäten hervorgebracht hat. Im Löwenpalais ist das Individuum, das auf der Suche nach einer neuen Identität ist, in vielen Arbeiten dargestellt. Schnell fabrizierte, wechselnde Identitäten, die orientierungslos herumleben und ständig ihre neuen Identitäten suchen.

 

 

Als letzten Punkt möchte ich hier die Rolle der Schule in der Gesellschaft betonen. Die Hochschule für Kunst kann nicht mehr die Lehre praktizieren, die in enger Rahmen bleibt. Die Kunstrichtungen und aktuelle Veränderungen in der Gesellschaft beeinflussen natürlich auch die Hochschulen. Die Frage ist, wie weit die Hochschulen in der Zukunft in der Lage sein werden, ihre Denk- und Forschungstätigkeiten und -fähigkeiten frei zu setzen.

 

 

Azade Köker

 

09.12.02

 

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